Auf den Spuren von Oskar Schindler in Krakau - Wenn ein Name verpflichtet.

Auf den Spuren von Oskar Schindler in Krakau – Wenn ein Name verpflichtet.

Die meisten kennen mich unter dem Namen Janett. Vielleicht auch noch „die Teilzeitreisende“. Doch den wenigsten ist mein Nachname bekannt – und das, obwohl dieser gar nicht mal so selten ist. Auf meinen Nachnamen: Schindler bin ich jedoch besonders stolz.

Auf den Spuren von Oskar Schindler in Krakau - Wenn ein Name verpflichtet.

Ich heiße Schindler.

Und ich bin stolz, diesen Namen zu tragen! Es ist ein Name, dem ein sehr bewegender Film gewidmet wurde, es ist ein Name, den es in Deutschland eigentlich gar nicht so selten gibt. In den deutschen Telefonbüchern von 2005 sind 12258 Eintragungen unter meinem Nachnamen zu verzeichnen – recht unwahrscheinlich also, das ausgerechnet ich mit dem berühmten „Schindler“ verwandt bin (auch wenn mein Opa ja immer noch das Gegenteil behauptet). Und es gibt viele bekannte Persönlichkeiten, die neben dem Fabrikanten aus Zwittau auf diesen Nachnamen hören. Komponisten, Maler, Politiker, Unternehmen und Blogger.

Schindlers Fabrik Krakau (1)

Es war im Jahre 1999. Ich war gerade dabei, mein Fachabitur zu machen und kam in Berührung mit der Spielberg-Verfilmung „Schindlers Liste*“. Kein einfaches Brot. Ein unglaublich berührender Film, der in mir den Wunsch nach der Suche meiner eigenen Geschichte geweckt hat. Damals habe ich viel über die damalige Zeit gelesen, ich habe mir die Kriegsnachweisdokumente meiner Großeltern zeigen lassen und habe recherchiert, ob es denn einen Zusammenhang zwischen meinem Familiennamen und Oscar Schindler gibt. In einer Zeit, in der das Internet vielmehr nur Nerds vorenthalten war und Emails schon das größte der Gefühle war, ließ sich das nicht so wirklich einfach bewerkstelligen.

Und so geriet die Suche nach der bekanntesten Geschichte meines Namens in Vergessenheit. Lange Zeit war die Priorität eine andere – dann jedoch ergab sich eine Reise in eine ganz besondere polnische Stadt. Krakau. Und plötzlich, knapp 16 Jahre nach meinen ersten Versuch, ploppte in meinen Gedanken eine Erinnerung auf. Wann, wenn nicht jetzt? Uns so kam es, das ich an einem sonnigen Dezembertag ein Taxi zur ehemaligen Emaillefabrik von Oscar Schindler in Krakau nahm – Auf der Suche nach der Geschichte meines Namens.

Am Ort der Fabrik wird schon lange nichts mehr hergestellt. Inzwischen befinden sich auf dem Gelände zwei Museen, die nur noch wenig Ähnlichkeit mit alten Bildern der damaligen Zeit haben. Ein sehr modernes Museum steht im Hinterhof, im Vorderhaus – der ehemaligen Verwaltung der Fabrik – ist nun das Museum „Fabryka Emalia Oskara Schindlera“. Viel konnte ich mir nicht darunter vorstellen, doch schon die Bewertungen auf diversen Portalen haben mich neugierig gemacht.

Dieses Museum muss man in Krakau gesehen haben.

Die Anreise zu diesem Museum ist nicht wirklich die einfachste – mir wurde berichtet, das der Ortsteil um das Museum herum in den letzten Jahrzehnten stark heruntergekommen ist. Davon ist direkt vor dem Museum wenig zu merken. Fast ein wenig zu touristisch wirkt das ganze im ersten Moment. Da steht eine Bimmelbahn, die Touristen einsammeln möchte, da sind Personen mit Prospekten. Klar will jeder mit dieser Attraktion Geld verdienen, aber gerade an dieser Stelle passt es so gar nicht.

Dieses Museum ist „Schwere Kost“. Nichts, was man mal „eben so“ besucht. Es ist ein Ort der Andacht und so ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe.

Schindlers Fabrik Krakau (11)

Schon im Eingangsbereich gibt es Bilderfliesen mit den Personen der berühmten Liste. Mittlerweile lebt keiner mehr von Ihnen. Und doch scheint es, als wären nicht schon mehr als 70 Jahre seit dem zweiten Weltkrieg vergangen. Taschen und Jacken müssen abgegeben werden bevor man sich eine Eintrittskarte holt.

Eine Zeitreise in das Krakau von 1939 – 1945

Unsere Reise startete in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. Krakau hat den ersten Weltkrieg gut überstanden und steht in voller Blüte. Vorbei an einem Bahnhofs-Wartesaal wandern wir weiter in der Zeit. Wir machen anfänglich große Zeitsprünge und wir stellen fest: Es wird düsterer.  Auch wenn der Alltag scheinbar normal weiter läuft, so sind es diese kleinen Nuancen, diese winzig kleinen Momente, die zeigen – da ist die Welt im Wandel.

Schindlers Fabrik Krakau (3)

Es ist faszinierend, wie mich dieses Museum einfängt. Nicht etwa mit 1000 Infotafeln, sondern mit Zeitzeugen. Mit Handbriefen, die an der Wand kleben, mit Stimmen, die aus einer längst vergangen Zeit entstammen. Ich laufe durch eine dunkle Gasse, höre Stimmen aus dem Nichts und möchte eigentlich nur schnell hier raus.

Schindlers Fabrik Krakau (19)
Verurteilung. Unschuldig.

Mein Gemüt fährt Achterbahn – versucht sich einzubilden, das dies hier alles nur wirklich gut gemachte Fiktion ist – aber doch sind es die Gefühle der Juden der damaligen Zeit in Krakau. Ich erfahre von Lebensgeschichten, ich entdecke, was mit Menschen passiert.

Schindlers Fabrik Krakau (6)

Meine Zeitreise schreitet voran. Diesmal sitze ich einer Bahn. Und lese Zeitung. Eine Zeitung, die noch Ende der 30er Jahre glaubhaft machen will, das alles „Normal“ ist. Ich weiss nicht was darin steht – aber es kommt mir angesichts der sonstigen Ausstellungsstücke so unwirklich vor. War ich ursprünglich in dieses Museum gegangen, um etwas über Oscar Schindler zu erfahren, so werde ich jetzt mit aller Wucht in eine dunkle Zeit hineingezogen. Ich erlebe – was mit denen passiert, die nicht arisch sind und fühle mich an die heutige Zeit erinnert. Ich, die sonst immer für einen Spaß zu haben bin, werde plötzlich ganz still und leise.

Wir laufen durch „Geisterzimmer“.

Und gelangen dann in einen Raum, der sich von den anderen unterscheidet. Man sagt, das hier das Büro Oscar Schindlers gewesen sei. So unwahrscheinlich ist es nicht. Das Haus, in dem wir unterwegs sind, befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Emaillefabrik. Im Gebäude selbst war auch damals schon die Verwaltung. Ich weiss nicht, ob Oscar Schindler genau hier saß und diese Liste schrieb, die ihm postum so viel Ehre einbrachte. Ich weiss nur, das ich in diesem Raum das erste Mal seit einer gefühlten Stunde wieder durchatmen kann.

Schindlers Fabrik Krakau (25)
Der Schreibtisch Oscar Schindlers

Hier sieht alles so „normal“ aus. Zumindest wenn ich von dem riesigen Emaillekunstwerk in der Mitte des Raumes einmal absehe. „Sind wir jetzt durch?“ frage ich Tanja, die mich schon die ganze Zeit begleitet. Sie schaut mich an und sagt genau die Worte, die ich nicht hören will „Ich glaube nicht.“ Und so laufen wir weiter. Wieder hinein ins Ghetto. durch dunkle Gassen, in denen der Boden nachgibt. Und plötzlich wird es hell. So hell, das mir die Augen weh tun.

Schindlers Fabrik Krakau (9)

Wir stehen in einer zerstörten Stadt.

Umgeben von Trümmern wird uns bewusst, das wir das Ende des Krieges erreicht haben. Und doch ist die Ausstellung noch nicht zu Ende. Am Ende steht ein Mahnmal. Unglaublich einfühlsam in Szene gesetzt durch Michał Urban betrete ich den Raum der Entscheidungen „Room of Choices“. Er bildet ein beeindruckendes Ende einer Reise, die ich in meinem Leben nicht vergessen werde.

Schindlers Fabrik Krakau (10)

Wichtige HinweiseAnreiseÜbernachtungsempfehlungWeitere Inspirationen?
  • Der Eintritt zum Museum (Muzeum Historyczne Miasta Krakowa) kostet als Erwachsener 21 Zloty – umgerechnet etwas weniger als 5 Euro.
  • Gepäck wie Taschen und Jacken müsst ihr vor betreten der Ausstellung abgeben. Das kostet jedoch nichts.
  • Im Museum gibt es eine ständig wechselnde Ausstellung neben der festen Ausstellung. Diese ist im Eintrittspreis inklusive.
  • Rund um das Thema Krakau Ghetto, Nazizeit und die Geschichte rund um Schindlers Liste gibt es zahlreiche Ausstellungen und Führung auch außerhalb des Museums.
Das Museum ist etwas außerhalb der Innenstadt in einem aufstrebenden Viertel. Mit dem Taxi kommt ihr hier recht günstig hin (wir haben umgerechnet 6 Euro vom Stadtzentrum bezahlt). Wer zu Fuß laufen will, kann einen Abstecher durchs jüdische Viertel machen, dort gibt es viele tolle Restaurants und Cafés. Es gibt auch einen Bus von der Innenstadt, den wir aber nicht genutzt haben.
Übernachtet habe ich im Radisson Blu Krakow im Zentrum der Stadt. Das Hotel bietet schöne Zimmer und einen zentralen Ausgangspunkt für Ausflüge quer durch Krakau.

Offenlegung: Ich wurde vom Radisson Blu Krakau zu einem Wochenendtrip in die polnische Stadt eingeladen.

Janett

Hallo, ich bin Janett, die Gründerin des Blogs Teilzeitreisender.de
Schon immer war ich ein sehr großer Fan von Kurzreisen. Neben einer Teilzeitstelle an der Uni Düsseldorf pflege und hege ich deshalb dieses Projekt - und habe dafür schon das eine oder andere Abenteuer erlebt.

Mehr über mich erfahrt ihr unter der Rubrik Persönliches

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