Es gibt etwas, was mich ganz gewaltig stört.
Im Grundsatz kann ich dieses etwas ganz gut verdrängen, dann jedoch gibt es Momente, wo ich genau deswegen einfach nur schreien könnte. Und jetzt ist für mich das Fass voll. Ich muss mich jetzt einfach mal darüber auslassen. Also müsst ihr, meine lieben Leser, das jetzt auch mal ertragen. Es kann durchaus passieren, dass ich in diesem Artikel verallgemeinere. Schon mal vorab dafür Entschuldigung!
Ich wurde von meiner Mutter zur Höflichkeit erzogen.
Freundlich fragen, wenn ich etwas möchte, „Guten Morgen“ wünschen wenn ich in einen Bus einsteige und meine Mitmenschen mit Respekt behandeln. Tugenden die nicht schwer zu erlernen sind und doch so viel im Alltag ausrichten können. Mag sein, das ich das Wort Entschuldigung oft inflationär verwende und mich manche Mitmenschen wegen meines offenen Wesens für naiv halten. Ich fahr mit dieser Art zu leben recht gut. Die drückt Respekt meinen Mitmenschen gegenüber aus.
Stirbt Höflichkeit aus?
Als ich letzte Woche von der Bushaltestelle zur Arbeit lief, fuhr ein Autofahrer etwas zu schnell in die Kurve und schnitt diese einer jungen Radfahrerin ab, die mitten auf der Straße fuhr. Vorab – es ist nichts weiter passiert – beide bremsten scharf und damit war die Gefahr vorüber. Anstatt eines „Entschuldigung“ kam aus dem Auto ein „Du dumme Schlampe“. Um den noch einen drauf zu setzen betitelte die Radfahrerin den Autofahrer als „Ignorantes Arschloch“. Ich schaute mich um und erwartete versteckte Kameras. Die gab es leider nicht. Diese Art zu kommunizieren ist oft genug die Wirklichkeit. Ich bin mir sicher – beide hatten Adrenalin im Blut – aber mit einem „Entschuldigung“ wären beide positiver aus der Situation gegangen.
Leider kein Einzelfall.
Ich bin jeden Tag mit Bussen und Bahnen unterwegs. Und gerade da passieren oft genug Dinge, bei denen ich an der emotionalen Intelligenz der Menschen zweifele. Da war vor kurzem zum Beispiel die alte Dame, die angeraunzt wurde, weil sie mit ihrem Rollator nicht schnell genug in den Zug eingestiegen ist. Vom ganz einfachen drängeln und Leute nicht aus Zügen aussteigen lassen mal ganz abgesehen. Und es sind oftmals nicht mal die jungen Menschen, die keinen Respekt haben. Nein – oft genug sind es Leute meines Alters die ein Benehmen anderen gegenüber an den Tag legen, das mir nur nach Fremdschämen zu mute ist.
Reisen und Höflichkeit
Gerade wenn ich aus Großbritannien oder aus Nordamerika zurückreise – fällt mir der „Höflichkeits-Unterschied“ gewaltig auf. Klar gibt es auch in den beiden englischsprachigen Ländern unhöfliche und respektlose Leute – ich habe sie bisher jedoch noch nicht getroffen. Dafür haben sich in den USA schon mal Eltern entschuldigt, das ihr Kind vorgedrängelt hat. Nicht das ich das wichtig fand, aber da ich selbst immer mit viel Respekt vor anderen durchs Leben gehe, finde ich dies auch auf Reisen angenehm. Ganz anders bei der Ankunft in Deutschland. Bei meiner letzten USA-Reise wurde ich schon am Flughafen in Frankfurt auf der Rolltreppe angerempelt, nur um teilweise Vorwürfe zu bekommen, das ich ja nicht im Weg rumstehen müsste (ich stand rechts und hab wirklich ausreichend Platz gelassen). Ich wäre da gerne wieder in den Flieger zurück eingestiegen…
Persönliche Befindlichkeiten
Wisst ihr – ich meckere jetzt darüber rum wie unmöglich die „Menschen“ sind – aber oft genug sind es einfach nur meine persönliche Befindlichkeiten. So rege ich mich auf über Leute die enge Wege versperren weil sie sich für ihr Treffen einfach die Fußgängerzone oder an einem engen Bahngleis ausgesucht haben. Selbiges kenne ich auch aus dem Schwimmbad, wo ich schon häufiger um kleine Rennergrüppchen schwimmen musste (ich nenne es liebevoll Rentnerslalom). Oder Menschen die sich vordrängeln. Könnte es sein, das ich nicht viel anders bin als diejenigen die ich verurteile?
Gute Vorsätze – oder wie ich die Welt verändern will!
Ich glaube oft genug, schon ausreichend für ein friedvolles Miteinander zu tun. Wenn ich morgens im Bus einsteige habe ich mindesten ein Lächeln und einen Guten-Morgen-Gruß auf den Lippen. Wenn ich wen anrempele, dann entschuldige ich mich und Leute anraunen weil sie mir im Weg stehen oder etwas falsch machen habe ich noch nie gemacht. Und doch gibt es auch Dinge, bei denen ich zu wenig Rücksicht nehme. Bestes Beispiel? Rucksack in vollbesetzten Zug auf Beifahrersitz. Muss ja nicht sein, oder? Auch in Sachen Hilfsbereitschaft habe ich noch einiges nach zu holen. Gerade hier in Düsseldorf Bilk gibt es immer wieder verzweifelte Mütter, die mit dem Kinderwagen die 30 Treppen hoch müssen. Ich geb mir Mühe, beim nächsten mal meine Hilfe anzubieten.
Empfindet ihr fehlenden Respekt auch als unhöflich?
Was müsste sich eurer Meinung nach ändern? Ich bin gespannt über eure Meinungen!
Ohje! Was für ein Gejammer! Grüßen, wenn ich in einen vollbesetzten Stadtbus steige?? Wen denn? Ne, macht man in der Großstadt nicht. Aber ich treffe immer wieder auf sehr nette und höfliche junge und alte Menschen. Mein weißes Haar scheint zu genügen, damit mir im Bus oder der U-Bahn ein Platz frei gemacht wird. Ich bin mittlerweile leicht gehbehindert. Da scheint es fast immer jemanden zu geben, der mir meinen Koffer die Treppe rauf oder runter trägt, der mir das Geländer an der Treppe frei gibt. Und wenn ich einfach nur lächle, dann nimmt man die Tasche, die Jacke von dem freien Platz und ich kann mich hinsetzen.
Das sind nur einige Beispiele, die ich täglich erlebe. Nö, ich bin nicht der Meinung, dass die Menschen immer unhöflicher werden. Ich muss aber auch dazu sagen, dass die hilfbereitesten Menschen die mit einem deutlichen Migrationshintergrund sind.
LG
Ulrike
Hallo Janett,
du sprichst mir so was von aus der Seele. Genau wie du erlebe ich es in Deutschland auch mit mangelndem Respekt und fehlender Höflichkeit. Dazu kommt noch: Ich lebe seit einigen Jahren in Berlin und die Stadt war noch nie für allzu guten Umgang miteinander bekannt. Dabei ist es doch wirklich nicht schwierig, zu grüßen, sich zu entschuldigen oder einfach auch mal über Fehler von anderen hinwegzusehen, ohne diese gleich anzublaffen. Schließlich macht jeder Mensch mal etwas falsch – oder zumindest nicht so, wie es optimal wäre.
Ich hoffe ja sehr, dass sich das Ganze mal wieder wandelt. Ansonsten freue ich mich immer, wenn ich in Ländern oder Gegenden unterwegs bin, wo es netter und entspannter zugeht. Positive Erlebnisse habe ich da zum Beispiel aus Leipzig. Da wurden wir sogar in großen Kaufhäusern freundlich begrüßt. In Berlin hätte ich in so einem Fall nach der versteckten Kamera gesucht.
In diesem Sinne: Ich wünsche uns allen mehr Respekt und Höflichkeit im Umgang miteinander.
Liebe Grüße
Martina
[…] Janett über Höflichkeit, Respekt und warum wir uns wohl selbst an die Nase fassen müssen. […]
Krass, was Ihr so erlebt täglich. Das einzige, wo mir die Ignoranz der Menschen oft auffällt, ist im Straßenverkehr. Morgens muss ich immer um einen kleinen Kreisverkehr rum und an der Ampel danach ist eigentlich immer gefühlt rot. Das staut sich dann zurück zum Verteiler. Wenn ich sehe, dass ich den Verteiler blockieren würde, wenn ich rein fahre, bleibe ich draußen stehen und warte auf´s nächste Grün. Da wird nach 2 Sek. hinter mir aber schon volle Kanne gehupt von ALLEN. Und umgekehrt, wenn ich im Verteiler schon stehe und mal nach hinten schaue, alle fahren rücksichtslos einfach rein, bis der ganze Verteiler verstopft ist und gar nichts mehr geht. Da kann ich nur mit dem Kopf schütteln, wie dumm viele Menschen sind.
Das Problem ist aber auch, dass man inzwischen ja damit rechnen muss, übelst zusammengeschlagen zu werden, wenn man Zivilcourage zeigt. Und sei es nur jemanden auf irgendetwas hinzuweisen. Das will natürlich niemand riskieren und daher sagt niemand was. Ich werde zB. regelmäßig von hinten angestoßen, wenn ich im Supermarkt am Band meinen Kram auflege. Entweder krieg ich den Einkaufswagen von jemandem hinten rein, oder es scheuert sich jemand an mir, weil er/sie unbedingt an mir vorbei schon seinen Kram auf´s Band legen muss, statt noch 30 Sek. zu warten, bis ich etwas weiter vor gehen kann. Da sage ich meistens auch nichts zu, drehe mich nur um, gucke denjenigen kurz an und sehe „Aha, der rafft eh nix“. Meistens schüttel ich dann den Kopf und schaue nicht nochmal zurück.
Nur bei einer Sache bin ich nicht ganz bei Dir: Die Mutter mit dem Kinderwagen. Ganz selten sehe ich mal welche an einer Treppe oder an der Bahn stehen. Wenn die Hilfe brauchen, können die doch einfach darum bitten, oder nicht? Soviel zum Thema mal die Zähne auseinander bekommen. Eigentlich sehe ich es da nicht ein, meine Hilfe aufzudrängen, sonst wird man nachher gleich als Sexist oder sonstwas angesehen heutzutage. Wenn mich aber jemand bittet, gleich beim Ein- oder Aussteigen kurz anzupacken, Ey kein Thema, gerne.
Wo das alles hinführen soll? Gute Frage, darüber denke ich gar nicht gerne nach. Ich bekomme schon Angst, wenn ich manchmal sehe, wer meine Rente bezahlen soll :)
toller Artikel, Janett.
Ich empfinde es auch wie du und habe das Gefühl, grade in einer Großstadt wird es immer schlimmer. Ich frage mich oft, wie es wohl ist, wenn ich alt bin und mit einem Rollator in die Straßenbahn muss. Ich glaube das ist echt kein Spaß, wenn die Sitten schon heute so verkommen sind. Und nein, es sind gar nicht die jungen Leute. Es sind die Banker im Anzug, die mich morgens auf der Rolltreppe fast umrennen, nur damit sie 2 sekunden schneller in ihrem Büro sind, wo sie ein langweiliges Leben als unbedeutende Personen fristen. Auch zum Aufregen finde ich Leute, die ihre Klappe nicht mehr aufkriegen und fremde Personen (oh gott) fragen müssten, ob der Sitzplatz neben einem noch frei ist, sich stattdessen lieber einfach auf die Jacke setzen, die da liegt. Hallo? Zuviel verlangt mal ein Wort zu einer anderen Person zu sagen? Bitte und Danke verschwinden aus dem Sprachgebrauch… Anrempeln ist an der Tagesordnung… Direkt vor der Rolltreppe stehen bleiben? wen juckt es, wer nach einem kommt…. Einem die Tür vor der Nase zuschlagen, ja mei, selbst ist die Frau… oder noch schnell vor der Mutti mit dem Kinderwagen in den Aufzug rein und das Knöpfchen drücken…Es kommt mir vor als hätte man kein Bewusstsein mehr für seine Umgebung, aber in Zeiten von Smartphone und Egoboosting eigentlich auch nicht allzu verwunderlich…
Ich hab mal zu einem Halbstarken gesagt, er soll seinen leeren Plastikbecher doch ins Müllfach tun anstatt obendrauf zu stellen, wo er bei der nächsten Bremsung eh runter fällt und das Innere dann über die Hose von jemanden läuft. Ich hab gedacht, der haut mir gleich eine runter. Er wollte erst mit mir diskutieren. Dann hat sich meine Sitznachbarin freundlich eingemischt und er hat den Becher in den Müll getan. Da war ich voll stolz auf meine Zivilcourage (ich hatte echt Angst dass er mir eine runter haut) ;-) wenn sich jeder nur manchmal ein kleines bisschen einmischen würde, wäre es schön.
100% Zustimmung. Wenn ich an den Umgangston in Marokko denke und den mit Deutschland vergleiche… hui… dann fühle ich mich wie im anderen Film. Es ist als wäre jeder auf 180 und kurz vom Platzen – da reicht der kleinste Nadelstich. Wie in deiner Straßenverkehr-Anekdote.
Deine Mission für mehr Höflichkeit unterstüze ich daher voll und ganz.
P.S. Das Bild mit dem Fußgänger-Verboten-Schild wurde auf der Rothenburger Stadtmauer aufgenommen, oder?
Das Schild stammt aus Rothenburg – richtig. Und du hast recht – leider sind die Leute gereizt ohne Ende. Ob ein wenig mehr Sonne vielleicht gut tun würde?
Ich gestehe, dass ich den Autofahrer auch angebrüllt hätte.
Immerhin hat er mit seinem Verhalten das Leben und die Gesundheit der Radlerin gefährdet und sie dafür noch beschimpft. Ja, da hätte ich zurückgeschimpft (und tue das in meinem Großstadt-Radler-Alltag auch!) und ich finde es gerade etwas eigenartig, dass seine Ausfälligkeit und ihre Antwort bei Dir offenbar auf einer Stufe stehen.
Grundsätzlich fällt mir auch auf, wie oft man, wenn man einfach so auf der Straße rumsteht/fährt/geht, von irgendwem, der einen schlechten Tag hat, dumm angeraunzt wird. Oh, ich kann auch raunzen – und ja, ich tu das auch mitunter. Aber nicht diese grundlose Aggressivität. Und – überraschenderweise – fallen mir in München da v.a. die Senioren auf, die so übel schlecht drauf zu sein scheinen.
Die älteren Herren, die sich in der Oper an der Bar ganz selbstverständlich vordrängeln und wenn ich sie anspreche „Entschuldigung, ich stehe hier auch an“ mir dann noch erzählen, sie hätten sich gegen mich hier in der Schlange „durchsetzen“ müssen.
Die Oma, die mich im Bus anmotzt, ich dürfe hier nicht sitzen, die Plätze seien für ältere Leute – obwohl ich gerade noch für sie Platz gemacht habe und rübergerutscht bin.
Die ältere Dame, die mich im Karstadt anmacht, weil ich mit meiner Mutter telefoniere (in normaler Lautstärke, bitte).
Oder vor ein paar Tagen erst der Opa, der mir mit seinem Fahrrad fast in meines fährt, mich dann anblafft, was denn bitte das bei mir hier für eine Fahrerei sei. Und wenn ich dann halb-scherzhaft zurückgebe: „Das hab ich mich bei Dir auch grad gefragt“ anfängt mich anzubrüllen „HALT DIE BABBN!“ und „FOAHR ZUA! ODER ICH KUMM!“
Da steh ich immer erst mal da und denk mir: Ähhh, was? [und ja, da geb ich dann schon nen Kommentar zurück…]
Von daher könnte ich z.B. nicht sagen, dass es die junge Generation wäre, aufgrund der der Ton verroht. Aber woran liegt es dann?
Du hast da viele Beispiele, bei denen ich auch verwundert schaue. Vielleicht habe ich mich in meinem Artikel auch falsch ausgedrückt – ich stelle beide nicht auf die Stufe. Der Autofahrer hat einfach Scheisse gebaut. Aber ich fand den Ton einfach so einprägsam, das er mich zu diesem Artikel inspiriert hat. Ich bin aber immer noch geschockt über den Radfahrer bei dir. Was geht den in München ab?
Oh ja, wie Recht Du hast!
Spätestens auf der Rolltreppe am Flughafen, wenn hinter mir einer poltert „rechts stehen, links gehen“, dann weiß ich, ich bin wieder in Deutschland. Oder beim Einkaufen: „ich bekomme 250 Gramm Fleischwurst“ – man könnte ja auch formulieren: „kann ich bitte … bekommen“. Dass man die Tageszeit nennt, wenn man irgendwo hinein kommt – gänzlich in Vergessenheit geraten. Gar den Busfahrer beim Einsteigen grüßen? Wo kommen wir denn da hin.
Ja, da sind die Menschen in anderen Ländern schon anders drauf. Selbst wenn es nicht ernst gemeint ist – nett ist es schon, wenn mich in Kanada die Kassiererin im Supermarkt fragt „how was your day, honey?“ oder wenn sich beim Dinner der Kellner namentlich vorstellt, sich nach dem Befinden erkundigt, Ausflugstipps für den nächsten Tag gibt… Klar tut er das, weil er auf ein üppiges Trinkgeld hofft – aber ein Schmiermittel für die zwischenmenschlichen Beziehungen ist es alle Male.
Zweifel habe ich allerdings, ob dies so bleiben wird oder ob sich im Umgangston das Beispiel Trump als gesellschaftsfähig durchsetzen wird – damit meine ich nicht nur „America first“ sondern auch seine Rüpeleien, seinen Umgang mit Frauen und und und…