Als ich vor mehr als 5 Jahren angefangen habe meinen Blog teilzeitreisender.de zu starten, haben mich viele meiner Freunde gefragt. Was? Ein Blog? Für Reiseplanungen wurde ein handliches Buch mit allen wichtigen Informationen gekauft, beim ADAC vielleicht noch das Touren-Set bestellt und wenn es hochkam, via Tripadvisor und Co. auch noch nach der Bewertung fürs Hotel gesucht.
Ich hatte nicht viel im Sinn. Ich wollte über meine Reisen schreiben. Ich hatte jede Menge Content, habe angefangen meine USA – Artikel auf diesen Blog hier zu schieben, habe Spartipps und Reiseplanungsempfehlungen gegeben und habe gebloggt, weil ich einfach Spaß am Schreiben hatte. Ich mag es, auf die Suche nach besonderen Orten zu gehen. Ich mag es, kleine Abenteuer zu erleben. Damals – 2013 wurden die Fashionblogger gehyped. Und Youtube sowie Instagram begannen langsam Fahrt aufzunehmen. Aber ich? War ein kleines Licht ohne Idee – da mal mehr draus zu machen.
Schon 2012 wurde ich das erste Mal zu einer Reise eingeladen.
Es änderte sich schnell recht viel. Auch heute noch finde ich zahlreiche Reise-Einladungen in meinem Emailpostfach – die zwar immer mehr auch auf mich zugeschnitten sind, aber die mir durchaus spannende Reisegeschichten ermöglichen. Und ja, ich nutze auch solche Einladungen – teils um an Orte zu kommen, die ich mir sonst schlichtweg nicht leisten könnte, teils weil ich dadurch in Gespräche mit Menschen komme, die mir genau für meine Geschichte auch hilfreich sind.
Beliebig Hotels anfragen, weil ich irgendwo unterkommen will – das ist nicht mein Stil. Nicht umsonst habe ich bei rund 12000 Euro Einnahmen rund 9000 Euro Ausgaben. Ihr seht, von diesem Projekt leben kann ich nicht. Aber ich kann diesen Blog so gut es geht refinanzieren.
Durch meine Reiseeinladungen komme ich häufig in Kontakt mit Touristikern. Das (für die Menschen die nicht in diesem Blogthema sind) sind die Personen, die mit spannenden Geschichten und mithilfe von Presse und Bloggern versuchen, neue Leute in die Regionen zu bringen. Was durchaus gut ist. Denn Gäste bringen Einnahmen. Übernachtungen, Essen, Ausflugsziele – all dies sorgt in Ferienrregionen für Arbeitsplätze. Wenn ich nun darüber schreibe – dann findet sich der eine oder andere meiner Leser in der Geschichte wieder und will sie auch erleben. Wieder andere schwelgen in Erinnerungen und planen daraufhin schon den nächsten Urlaub. Das machte bei mir bisher dieses „Win-Win-Gefühl“. Jeder hat etwas davon, wenn ich eine Destination oder ein Hotel besuche.
Ich bin Reiseblogger – gib mir ein Zimmer gratis!
Eben jene Touristiker jedenfalls berichten immer wieder von Anfragen. Anfragen von Personen, die sich „Blogger“ nennen und für einen Blogbericht mehrere Nächte in einem Hotel unterkommen wollen. Genau in diesem Moment denke ich mir oft – bin ich vielleicht selbst schuld, das es solche Anfragen gibt? Ich als mehr oder weniger erfolgreicher Blogger lege bei jedem meiner Artikel offen, ob ich eingeladen werde (Unter jedem Artikel gibt es eine Offenlegung, falls das der Fall sein sollte). Jemand der einigermaßen gut schreiben und oder fotografieren kann denkt sich – Tja das kann ich auch – und schon ist eine Anfrage geschrieben. Das all diese Touristiker mittlerweile von solchen Anfragen überschwemmt werden – führt nicht unbedingt dazu, ein professionelles Bild von uns Bloggern aufzubauen. Wäre ich jemand, der diese tausenden Emails bearbeiten müsste – ich würde denken, da gibt es ziemlich viele Schnorrer.
Bin ich ein Schnorrer?
Was jedoch unterscheidet mich von diesen „Ich will das auch-Bloggern“? Nun – vielleicht die Erfahrung. Vielleicht aber auch die Tatsache, das ich selbst kaum anfrage. Wenn ich Bock auf irgendeine Reise habe, dann buch ich die einfach. So wie aktuell Lissabon. Auch wenn es wieder ein Loch in mein Reisebudget 2018 reißt. Muss ich dennoch mal Anfragen – komme ich mir ziemlich oft wie ein Bittsteller vor. Ich schlage meine Idee vor und hoffe, das sie spannend ist. Ich argmunentiere mit Reichweite und passender Leserschaft. Und bin ich nicht dann auch eigentlich ein Mehrwert für eine Destionation?
Irgendwie wurde ich Dienstleister.
Seit 2015 arbeite ich Halbtags. Und da dies nicht wirklich für den Lebensunterhalt einer Vielreisenden reicht, muss ich Geld verdienen. So wurde ich zum Dienstleister. Ich schreibe Artikel für Destinationsblogs, ich schalte bezahlte Werbung auf Teilzeitreisender (den ihr auch durch den ersten Satz „Dieser Beitrag enthält Werbung“ erkennen könnt) und ich organisiere Treffen. Dies alles mach ich eher mal so nebenbei – sogenannte Pitches hab ich bisher nur wenige gemacht. Irgendwie sind das jedoch zwei verschiedene paar Schuhe. Auch wenn ich versuche – Werbung inhaltlich wertvoll zu gestalten – für mich gibt es einen klaren Unterschied zwischen Werbung und Berichterstattung. Auch wenn ich sicherlich nicht der Megakritische Blogger bin – mir ist wichtig, authentisch zu bleiben. Und ich will keine „Dauerwerbeveranstaltung“ werden. Und doch verstehe ich auch die Seite, die mit Servicedienstleistungen rund um ihren Reiseblog Geld verdienen müssen.
Ich bin kein Influenzer
Ich weiss, das weit mehr als 18000 Menschen meinen Blog jeden Monat lesen. Das ich durchaus auch den einen oder anderen stillen Fan da draußen habe. Und ich werde jedes Mal rot, wenn mir jemand berichtet, das er oder sie einen Artikel von mir ganz toll findet. Ob morgens im Bus oder online via Privatnachricht. Und irgendwann – so Ende 2016, kam dieser Scheiss mit Influencern auf. Jeder von uns beeinflusst jemanden anderen. Aber bin ich deswegen Influencer? Nein. Ich bin hier, weil ich Bock hab, spannende Geschichten zu schreiben. Ob die Idee dazu von woanders kommt, ist zweitrangig. Denn ich hab sie erlebt. Und ob ich damit jemanden beeinflusse, das ist mir so relativ pupe. Wenn ich jedoch sehen, mit welcher überheblichen Selbstverständnis manche „Influencer“ durchs Leben waten, dann würde ich all den „Großen“ gerne einen Spiegel vor das Gesicht halten. Und Fragen. Was bist du? Werbemaus oder Mäuserich? Oder jemand, der die Welt verändern will?
Die Menschen da draußen sind nicht doof. Jeder der einigermaßen klar durchs Leben geht, ist irgendwann genervt von noch einem Schlankgetränk, noch einem Rabattcode einer Modemarke oder der xten Uhr. Sie wollen den Menschen und dessen Leben sehen. Ohne Bling Bling und ohne Überbeleuchtung. Aber genau dadurch kommt dieses Bild auf.
Blogger, Instagrammer, Youtuber – alles Schnorrer?
Aktuell reflektiere ich die Bloggerwelt und auch mich selbst sehr stark. Ein kleiner Blick von außen in meiner reisefreien Zeit. Und ich sehe viele – die den Weg richtig gehen. Kein Bling Bling, sondern Erfahrungen. Ich kann alle Seiten verstehen – eine wirkliche Lösung jedoch ist schwer zu finden. Auf eigene Kosten reisen? Kein Geld mehr mit dem Blog verdienen? Dann jedoch müsste ich wieder Vollzeit arbeiten. Und dann würde der Blog leiden. Alles nicht so einfach.
Wie seht ihr als Leser dies alles?
Sind Blogger, Instagrammer, Youtuber für euch nur Werbeportale oder Schnorrer? Und wie kann man dieses Bild auflösen?
Super geschriebener und informativer Artikel :-). In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen
Klasse Artikel und (Selbst) Reflexion.
Influencer*innen und „Show“ -Blogger*innen werden durch die Reisesituation in 2020 und hoffentlich auch dauerhaft davon abgehalten Ihren Unsinn über ihre Reisen und meist auch ihren „Lebensstil“ weiter zu betreiben.
Es gibt einige wenige Reiseblogger*innen (wie dieser Blog) die wirklich informativ über Reise, Bevölkerung, Natur, Begegnungen, Kultur und Umwelt im jeweiligen Reiseland/Region berichten. Und nicht Selbstdarstellung im üblen Sinn betreiben.
Wir (meine Frau und ich) reisen seit über 35 Jahre und haben keinen Blog. Erfreulicherweise können wir uns mehrere Reisen im Jahr mit unseren Arbeit verdienen und müssen nicht bei der Reiseindustrie betteln(!!!) . Sind aber gezwungen alles in 30 Urlaubstagen unterzubringen und müssen dafür auf anderes verzichten. Wir bereisen Regionen, keine Länder. Wieviele Länder, Städte oder Kontinente das inzwischen sind ist unwichtig. Wichtig ist die Vielfalt der Erde kennen und auch wertschätzen zu lernen und zwar umfassend auch mit den dunklen Seiten (Umweltverschmutzung, Armut, Ausbeutung etc.). So haben wir unseren Planeten halt inzwischen verändert. Nicht alles ich Hochglanz und supertoll.
Aber es ist immer schön weil es wahr ist. Und vielfältig.
Als Reisender bin ich immer auch Teil des Übels auch wenn ich kein üblicher (All-inclusive) Tourist bin. Also sollte mit Bedacht gereist werden und reisen sollte den Horizont erweitern und nicht verengen oder der puren Selbstdarstellung dienen…..
Also liebe Reise-Influencer*innen und Blogger*innen…weniger bloggen und eine ehrlichere Darstellung hilft.
[…] Passus „Werbung“ und eine Begründung. Auch wenn ich nicht bezahlt werde. Auch wenn ich kein Influenzer bin. Aber was nicht ist, kann ja noch werden […]
[…] Kolleginnen abstimmen und auf die Preise schauen. Auch wenn so manch einer glaubt, das für „Reiseblogger alles gratis“ ist – im Jahr geb ich gut 9000 Euro für Reisen und Zubehör aus. Klar – dabei […]
Interessanter Artikel! Ich muss mit meinem Blog kein Geld verdienen. Und Bloggerreisen oder Hoteleinladungen sind in meinem Lieblingszielgebiet China auch eher dünn gesät.
Aber ich schreibe die Hotels an, in denen ich übernachten möchte, egal ob Deutschland oder London. Denn zum Einen schreibe ich grundsätzlich über meine Erfahrungen und möchte auch das Einverständnis des Hotels, um meine Fotos abbilden zu können. Zum Anderen käme ich mir doof vor, wenn ich es nicht wenigstens versuchen würde.
Die Hotels und Destinationen bekommen als Gegenleistung meine authentische Empfehlung. Wobei ich auch kritische Punkte nicht auslasse, egal ob gesponsored oder nicht.
Meinem Vater (90) kann ich nicht mehr erklären, dass ich das nicht für „Bettelei“ halte. Er sagt das immer wieder. Damit kann ich leben.
Ich sehe mich als Dienstleister. Ja, und mit steigenden Leserzahlen sicherlich auch als Influenzer. Hab nun schon einige Rückmeldungen gehabt, dass Leute aufgrund eines meiner Blogartikel ein bestimmtes Hotel gebucht haben.
Danke für den ausführlichen Artikel!
Beste Grüße
Ulrike
[…] Ich bin (Reise)Blogger, gib mir ein Zimmer gratis. Nicht. von Janett. […]
[…] habe ich ja schon öfters hier vorgestellt, aber sie schreibt auch immer tolle Artikel. Und dieser Anti-Influenzer-Artikel ist nur einer […]
In Bayern bezeichnet man solche „Influenzer“ als „Freibierlätschn“ ;-)
Hast du auf Facebook den Bericht von dieser Influenzerin gelesen, die sich einen Aufenthalt in einem Dubliner Luxushotel erbetteln wollte?
LG
Sabienes
Ich glaube diese Hick Hack (dem man als Blogger mit Bloggerfreunden und in Bloggergruppen leider nicht entkommt) konnte man ja nicht übersehen. Vielleicht war es auch Inspiration zu meinem Artikel. Aber Freibierlätschn find ich geil :D
Ich kann Dir da voll und ganz zustimmen und so wie Du halte ich es mit meinem Blog auch. Das Wort „Influencer“ an sich möchte ich allerdings auch nicht so ganz von mir weisen. Denn im eigentlichen Wortsinne sind wir Blogger das doch auch. Durch unsere Reiseschilderungen machen wir anderen Lust auf solche Reisen. Also beeinflussen wir schon. Allerdings ist dieses Wort Influencer mittlerweile dermaßen negativ besetzt, dass ich verstehe wenn jemand nicht in diesen Topf geworfen werden möchte. Es ist wirklich ein schmaler Grat auf dem man sich da bewegt.
vielen Dank für Deinen ehrlichen, offenen und interessant geschriebenen Artikel!
Jörg
Ja das mit dem „Beeinflussen“ ist vielleicht nicht ganz so weit her geholt und dennoch ist es der leicht negative Touch, der sich auf dieses englische Wort setzt. Ich bin eh kein Freund von zu viel Denglisch oder Englisch im deutschen Sprachgebrauch. Danke für deine Rückmeldung. Ich lass mir ein gutes Wort für uns einfallen :D
Ja, mach das mal… „Beeinflusser“ hört sich ja noch blöder an als „Influencer“. Hat man früher nicht auch mal „Meinungsmacher“ gesagt? Ist aber auch nicht viel besser. Liebbe Grüße!
Ja mit Meinungsmacher kann ich noch leben. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur das Mädchen vom Lande, was ihre Reisegeschichten aufschreiben will.
Liebe Janett,
ganz toll geschrieben. Ich denke, dass viele Leser gar nicht wissen, was hinter den Worten „zu dieser Reise wurde ich eingeladen“ alles gehört. Ja, du hast unter Umständen nichts bezahlt, musst dafür aber regelmäßige Posts über Social Media von unterwegs liefern, musst Fotos machen, diese aussortieren und bearbeiten, sowie mindestens einen Artikel drüber schreiben. Diesen wiederum über Social Mediakanäle bewerben. All das bedenken wohl die wenigsten, die sich über „gesponserte“ Dinge aufregen. Ich finde es absolut in Ordnung, solange es sich die Waage hält und eben auch eigene Dinge entstehen.
Vielen Dank für den offenen Artikel.
Liebe Grüße,
Tanja
Ja von der Arbeit will ich nicht reden. Ich sitze jeden Dienstag 8 – 9 Stunden am Blog und schreibe, selektiere Fotos, teil jeden Tag (auch Dienstag) Artikel und versuch auch sonst mein Emailpostfach im Griff zu haben (aktuell bin ich wieder auf 44 unbeantwortete Emails runter). Aber von dem Aufwand will ich nicht reden. Ich mach das gerne. Weil es Spaß macht. Und weil es auch für mich spannend ist, nachzulesen, was ich so alles erlebt habe.
Den Aufwand betreibe ich ja bei allen Artikeln. Ob ich eingeladen wurde oder nicht, ob ich dafür bezahlt wurde oder nicht. Der einzige Unterschied ist vielleicht die verschieden schnelle Veröffentlichung. Und bei Bezahlung auch die zielgerichtete Werbung.
Ich bin ja schon etwas älter und mir ist dieser Hype um YouTube und Instagram schon länger etwas suspekt. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß sich wirklich Umsätze in einer Höhen generieren lassen, die das eingesetzte Kapital überschreiten. Vielleicht bin ich aber auch nur nicht die Zielgruppe. Nun ist Werbung nicht grundsätzlich schlecht, wenn man auf diese Art auf Produkte, Hotels oder Ausflugsziele aufmerksam wird, solange man die Authentizität (eigene Worte, eigene Bilder) des/der Schreibenden erkennt. Als (Freizeit-)Blogger, der über seine Freizeitaktivitäten berichtet und mit seinem Blog kein Geld verdient, sehe ich mich in meinen Worten neutral genug, auch wenn ich mal eine Eintrittskarte oder ein Lunchpaket dafür bekomme. Wer gleich mit der Türe ins Haus fällt und Retourekutschen droht, wenn man ihn/sie nicht einlädt, der ist des Bloggens nicht wert und ich bin mir sicher die Anbieter werden das hoffentlich auch erkennen.
LG MIchael
Die aktuelle Disskussion ist mir schlichtweg zu viel Mimimi. Von beiden Seiten. Und ja, das mit dem Umsatz sehe ich genauso. Mein Geld würde ich als Unternehmen anders anlegen. Und ich hätte da so viel Ideen, die nichts mit Bildern und Videos, sondern eher mit Emotionen zu tun haben. Ich hab das Gefühl, das viele mittlerweile gar nicht mehr ihr „ICH“ zeigen. Das fehlt.