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Ich war 9 1/2 Jahre alt.
Quasi fast auf den Tag genau sogar. Und ich kann euch ehrlich gesagt nichts mehr darüber sagen, was mir am 09. November 1989 passierte. Ich glaub es war ein Tag wie immer und ich in dem kleinen Städtchen Bad Frankenhausen bekam von den Änderungen der großen weiten Welt – vom Mauerfall sowieso erst spät was mit.
Vielleicht interessierte es mich auch nicht. Wir hatten „Verwandte in Hamburg“, die ab und zu mal Kinderschokolade schickten und bei unseren Familien-Ausflügen in die große Stadt Erfurt ging es auch immer in den Intershop – Milka und Überraschungseier kaufen. Klar – ich musste mal für eine Melone zwei Stunden lang anstehen – aber hey – für mich war das als Kind ein großes Abenteuer.
Das erste mal in der „anderen“ Welt.
Das sich was geändert hatte, realisierte ich eigentlich erst an jenem Tag, an dem meine Mutter mit uns nach Herzberg reiste. Mit dem Zug und gefühlt tausend Menschen (so voll kannte ich damals die Züge nicht) ging es Richtung Niedersachsen – für mich ein großes Abenteuer.
Biene Maja, Grenzkontrollen und Begrüßungsgeld
Die ganzen Kindersendungen, die ich früher im Fernsehen gesehen habe, die Biene Maja und Willi und Donald sowie Daisy Duck gab es hier auch in Form von Ausmalbüchern. Der nette Mann aus dem Kiosk neben dem Bahnhof in Herzberg schenkte mir sogar ein Nimm2. Dabei kannte ich den gar nicht. Doch so anders war es hier nicht. Nur viel mehr Autos. Und ein wenig bunter. An was ich mich noch erinnere? Die Reise hier hin dauerte wegen einer Passkontrolle ewig und es gab „Begrüßungsgeld“. Ich frage mich heute immer noch – warum eigentlich?
Wie war meine Kindheit in der DDR?
Auch heute werde ich noch oft gefragt:“ Ja wie war das denn damals im Osten ?“ Nun, eigentlich ganz normal. Ich bin in die Kinderkrippe, in den Kindergarten und in die Schule gegangen, habe Lesen, Schreiben und Rechnen gelernt, in meiner Freizeit mit Puppen gespielt und kleine Abenteuer bestanden und durfte am Sonntag sogar ein paar Stunden Fernsehen. Politische Bildung? Die war in meinen jungen Jahren eher Fehlanzeige – zumindestens bewusst. Gut, wir hatten Samstag immer Pionierappell und ja, auch das Liedgut war sicherlich anders als im Westen. Aber ansonsten? Der Sozialismus war mit mit acht Jahren so relativ egal.
Nicht so einfach – Wohnen in der DDR
Ich kann mich noch genau erinnern – wie wir bis zur Wende gelebt haben. Regelmäßig habe ich als Kind Kohle aus dem Keller geholt, wir hatten zwei Öfen in unserer Wohnung. Im Kinderzimmer hatten wir eine Elektroheizung – die aber nur lief wenn es wirklich kalt war. Die Fenster? Einfach verglast. Die Toilette?
Durch einen Vorhang von der Küche abgetrennt. Baden? Einmal die Woche in einer kleinen Kinderbadewanne. Wer Glück hatte – konnte in den heute so verhassten Wohnblocks leben – wer nicht der musste mit unrenovierten und unisolierten Altbauten vorlieb nehmen. Es war nicht einfach (vor allem im Winter) aber andererseits weiss ich jetzt so manches mehr zu schätzen.
Nicht im Tal der Ahnungslosen
Im Fernsehen habe ich als kleines Kind gerne Fred Feuerstein und Bugs Bunny geschaut. Denn im Gegensatz zum Tal der Ahnungslosen, wie bei uns Sachsen immer genannt wurde, konnten wir rund 100 Kilometer von der Grenze entfernt, auch sehr gut das erste und zweite deutsche Fernsehen empfangen. Und mein Papa hat auch oft genug Radiomitschnitte präsentiert, auf denen die Bee Gees, die Beatles, die neue Deutsche Welle und viele anderen Berühmtheiten der 80er zu hören waren.
Vieles kannte ich nicht – wirklich vermisst habe ich es deshalb aber nicht. Meinen ersten Jogurt habe ich erst nach der Wende probiert. Mit Kiwigeschmack. Auch die Frucht war mir bis dahin unbekannt.
Ich liebte das Softeis von Traschko – fast jeden „erarbeiteten Pfennig“ habe ich dort hin getragen. Oft haben wir das Geld mit dem Sammeln von Altpapier und Glas oder Kastanien erarbeitet. Und das – kann ich euch sagen, war im Zeitalter von Null Werbeprospekten gar nicht so einfach.
Freizeit in der Deutschen Demokratischen Republik
Im Winter waren wir rodeln auf dem Schlachtberg, im Sommer waren wir im Solebad und zwischendurch sind wir durch den Kyffhäuser gezogen – immer auf der Suche nach Höhlen und Bergen die wir erobern konnten. Mein Lieblingsbuch war die Kunksmuhme (es steht auch heute noch in meinem Buchregal) und „Ich bin die Nehle“. Auch wenn ich im Sport eine Niete war – kaum jemand ging häufiger in die Bibliothek, um sich etwas auszuleihen. Dafür wurde ich sogar 1989 auszeichnet. Tja – so war das damals.
Auch künstlerisch hab ich mich betätigt.
Zwei mal die Woche sind wir als Kinder zum Fanfarenzug gegangen. Ich wollte eigentlich an die Trommel – doch leider war ich dazu viel zu klein. Dafür musste ich Fanfare spielen. Und tja – ich hab es gehasst. Wohl genauso, wie meine Mutter sich dafür verflucht hat, mir zu Weihnachten eine Blockflöte geschenkt zu haben.
Politische Bildung – tja, da war ich noch zu jung zu.
Die hätte quasi 1989 mit dem „roten Halstuch“ aktiv beginnen sollen. So hab ich ihn auch, den Pionierausweis, den wir mit Eintritt ins Schulalter feierlich mit dem blauen Halstuch bekamen. Samstag gab es Unterricht und einen Pionierapell – für uns war das normal. Da es oft Fächer wie Musik und Zeichnen gab, war es auch gar nicht so schlimm Samstag in die Schule zu gehen. Ich war damals nachmittags im Hort, als schrecklich hab ich eigentlich nur noch diese doofen Liegen in Erinnerung (ich hab es gehasst ein Mittagsnickerchen zu machen). Der Geruch von Pfefferminztee erinnert mich wiederum heute immer noch an diese Zeit.
Für mich war die Wende an sich kein großes Erlebnis. Und doch hat sie eines bewirkt. Mir standen viele Möglichkeiten offen. Ich für meinen Teil bin froh darüber, das ich das lernen konnte, was ich wollte, das ich die Welt ohne Einschränkung bereisen kann und das ich viele tolle Menschen seitdem kennengelernt habe.
Wie ist es euch so ergangen in den 80ern?
Die Inspiration zu diesem Artikel kommt von Inka alias Blickgewinkelt.de.
Auch Ina hat über den neunten November berichtet.
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[…] Regal voller Schals. Dicke und Dünne, bunte und unifarbene, kleine und große. Sogar mein altes Pionierhalstuch liegt da noch drin. Immer Sommer nutze ich oft nur die dünnen Halstücher für „auf den […]
Toller Artikel, gut das wir viel Zeit miteinander verbringen durften und auch immer viel Spaß dabei hatten. Auch wenn es nicht jeder so empfindet , wir als Kinder hatten eine tolle Zeit!
Ja in vielen erkenne ich mich wieder was du schreibst! Ich war auch so ein Bibliotheksfan und war da mehrmals die Woche. Danke für die Verlinkung.
Lg aus Norwegen
Ina
Bibliotheken – das Internet der 80er ;)