Reisen mit Multiple Sklerose - 8 Hürden und wie man sie überwindet

Reisen mit Multiple Sklerose – 8 Hürden und wie man sie überwindet

Multiple Sklerose oder auch MS, eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen weltweit, ist wohl nur wenigen „Nichtbetroffenen“ ein Begriff. Auf den ersten Blick kann man einen Menschen, der erst kurz an MS erkrankt ist, von einem gesunden Menschen nicht unterscheiden. Einzig ein leichtes Humpeln oder ein ewig müder Ausdruck im Gesicht weisst auf die Krankheit hin. Und doch ist sie – gerade was das Reisen angeht – mit vielen Einschränkungen verbunden – von Fatique (dauerhafter Müdigkeit) bis hin zum sogenannten Uthoff-Phänomen.

Fee von Feeistmeinname.de lebt schon seit einigen Jahren mit der Krankheit, weiss jedoch mittlerweile ganz gut mit den Reise-Hürden umzugehen – und gibt euch hier wertvolle Tipps, wie man das Reisen mit diesem Handicap ein wenig leichter machen kann.

Hürde Eins: Impfungen

Die ersten Hürden beim Reisen mit MS fangen für mich schon bei der Planung an: Welche Reiseziele kommen überhaupt in Frage? Impfungen mit Lebendimpfstoffen sind für MS-Patienten kritisch, vor allem für diejenigen, die Medikamente verwenden, die auf das Immunsystem einwirken. Reisen in Länder, für die man beispielsweise zwingend eine Gelbfieber-Impfung braucht, muss man sich daher gut überlegen und die Risiken abwägen. Aber auch Standardimpfungen mit Totimpfstoffen versuche ich zu vermeiden, wenn es geht, da ich auf Impfungen häufig mit Fieber und Infektionen reagiere, was wiederum potentiell schubauslösend sein kann. Das schließt natürlich einige Ziele aus. Aber es sind ja zum Glück noch genug übrig.

Reisen mit MS nach Dubai - eine Herausforderung (c) FeeistmeinName.de
Reisen mit MS nach Dubai – eine Herausforderung (c) FeeistmeinName.de

Hürde Zwei: Klima

Der nächste Punkt ist die Temperatur beziehungsweise das Klima vor Ort. Das hat einerseits mit den Medikamenten zu tun (darüber gleich mehr), aber auch mit dem sogenannten Uthoff-Phänomen. Dabei verschlechtern sich temperaturbedingt vorübergehend schon bestehende Symptome der MS. Bei mir sind das hauptsächlich Empfindungsstörungen, wie taube Hände und Beine oder „Ameisenlaufen“ auf der Kopfhaut, und schwere Erschöpfung, andere kann es da noch mal schlimmer treffen. Höhere Temperaturen kann ich noch verhältnismäßig gut aushalten, schwieriger wird es, wenn größere Anstrengung oder hohe Luftfeuchtigkeit dazukommen. Bei meinem Ausflug in das andalusische Karstgebirge „El Torcal“ letzten Monat (http://www.feeistmeinname.de/2015/08/der-tag-dem-ich-fast-in-einer.html) bin ich bei 36°C wirklich an meine Grenzen gelangt. Es ist dann immer ein Abwägen, ob man so etwas überhaupt macht oder mit den Konsequenzen lebt. Da es hier unser letzter Tag war, beschloss ich: Nach mir die Sintflut. Andere Patienten reagieren aber noch mal deutlich extremer, da ist es keine Frage des Wollens mehr. Das einzige, was hilft, wenn es soweit ist: Kühlung und Ruhe. Ich überlege daher schon vorher anhand der klimatischen Gegebenheiten vor Ort, ob es überhaupt Sinn macht, dorthin zu fahren.

Hürde Drei: Ärztliche Versorgung vor Ort

Wenn man sich dann für ein Ziel entschieden hat, finde ich es immer wichtig zu checken, wie die ärztliche Versorgung vor Ort im Notfall aussieht: Gibt es größere Krankenhäuser und am besten sogar deutschsprachige Ärzte? Auf jeden Fall schreibe ich mir vorher immer die wichtigsten Wörter und Sätze in Bezug auf MS in der Landessprache auf. Und eine Auslandskrankenversicherung, die auch chronische Erkrankungen abdeckt, ist natürlich Pflicht.

Hürde Vier: Mein Koffer und ich

Der nächste Punkt ist das Packen. Denn nur mit Handgepäck reisen geht eigentlich nicht mehr. Abgesehen von den Medikamenten für die gesamte Reise, die man im Handgepäck mit sich führen sollte, habe ich, wenn möglich, auch immer mein Kissen dabei. Durch meinen großen Herd im Halswirbelbereich bin ich sehr empfindlich geworden, was das „richtige Liegen“ angeht. Mein Kissen muss meinen Nacken stützen und darf nicht in sich zusammensinken. Sowas bekommt man fast nirgendwo im Hotel. Und wenn ich mich „verlegen“ habe, kann ich entweder gar nicht erst schlafen oder der gesamte nächste Tag ist im Arsch, weil ich mit Pseudo-Symptomen zu kämpfen habe, die vom gereizten Herd herrühren. Ich reise also auch für den kürzesten Wochenendtrip mit Riesenkoffer an, der allerdings zur Hälfte allein mit meinem Kissen gefüllt ist.

An Herrausforderungen wächst man - in Travenmünde (c) FeeistmeinName.de
An Herrausforderungen wächst man – in Travenmünde (c) FeeistmeinName.de

Hürde Fünf: Transport der Medikamente im Handgepäck und ärztliche Bescheinigungen

Wenn es ans Fliegen geht, ist mein Handgepäck ebenfalls voluminös. Die sechs Tabletten pro Tag machen den Braten dabei nicht fett, es ist die Kühltasche, die ich für meine Spritzen dabei habe, denn die Temperatur darf 2°C nicht unter- und 25°C nicht überschreiten. Sie ins Aufgabegepäck zu tun, kommt daher allein schon wegen der eisigen Temperaturen im Frachtraum nicht in Frage. Am besten hat man die Spritzen unter dem Vordersitz, denn auch die Über-Kopf-Fächer im Flugzeug können in temperaturkritische Bereiche kommen. Allerdings muss man mit dieser Kühltasche erst mal ins Flugzeug kommen. Die Medikamente mit sich zu führen ist dabei gar nicht so kritisch, nur aufwendig. Je nach Medikament, Menge und Urlaubsziel braucht man auf jeden Fall eine Bescheinigung vom Arzt, dass man auf die Präparate angewiesen ist. Das gilt zum Beispiel für meine Spritzen. Ich habe immer einen Medikamentenpass und eine aktuelle Zollbescheinigung in Deutsch und der Landessprache vor Ort bei mir. Für Dubai beispielsweise (die in Bezug auf Medikamente sehr restriktiv sind) brauchte ich allerdings auch noch ein Schreiben, dass mir jede einzelne Tablette bestätigte. Teilweise braucht man zusätzlich noch eine Erlaubnis vom Gesundheitsamt oder von der Botschaft des Gastlandes. Viel schwieriger sind aber häufig die Eisakkus, die ich zum Kühlen während des Transports dabei habe, und die Kühlpacks, die ich nach dem Spritzen brauche, um die Einstichstelle zu kühlen. Das sind ja immerhin Flüssigkeiten. Und da reagiert das Sicherheitspersonal teilweise wenig erfreut. Es ist schon mehrfach passiert, dass man mir die Spritzen zwar mitgeben, den Rest aber einbehalten wollte.

Hürde Sechs: Kühlen der Spritzen im Hotel/ der Unterkunft

Angekommen am Ziel ist es dann notwendig, dass das Hotel/Apartment irgendeine Möglichkeit zum Kühlen der Spritzen während des Aufenthalts bietet, zumindest wenn nicht gerade Winter ist und die Temperaturen ohnehin sehr niedrig liegen. Minibars werden ja immer seltener, was aus meiner Sicht echt schwierig ist. Denn so muss ich die Spritzen an der Rezeption einlagern (die dann einen Kühlschrank haben müssen) und sie abends dort wieder abholen. Dafür muss die Rezeption aber auch rund um die Uhr besetzt sein. Kürzlich in Málaga bin ich da echt in die Bredouille gekommen. Der Empfang war nur bis 10 Uhr besetzt und wir länger unterwegs. Ich wollte daher telefonisch darum bitten, dass man die Spritzen in mein Zimmer legt. Aber trotz der Übersetzungshilfe eines netten Kellners habe ich es nicht geschafft. Die Dame, die selbst bei meiner Anreise nicht anwesend war, hat die Spritzen schlicht nicht gefunden. Ich musste also einmal mit dem Taxi durch die ganze Stadt und wieder zurück gurken, damit ich das hinbiegen konnte. Ich achte also schon bei der Buchung darauf, dass das Hotel am besten eine eigene Minibar auf jedem Zimmer hat. Bei Presse- oder Bloggerreisen ist das dagegen schon mal schwieriger. Übernachtungsmöglichkeiten ganz ohne Kühlmöglichkeit kommen (außer es ist mal nur für eine Nacht) eigentlich gar nicht mehr in Frage.

Transport von Medikamenten - Bei Urlaub in Deutschland natürlich einfacher (c) FeeistmeinName.de
Transport von Medikamenten – Bei Urlaub in Deutschland natürlich einfacher (c) FeeistmeinName.de

Hürde Sieben: Auf den Körper achten und Grenzen kommunizieren

Vor Ort ist es wichtig, auf den eigenen Körper zu hören und sich nicht zu überfordern. Aber das ist dann das geringste Problem. Wichtig ist es, das gegenüber potentiellen Reisepartnern zu kommunizieren. Mir kann es beispielsweise passieren, dass ich plötzlich sehr still werde und mich aus dem Gespräch zurückziehe. Dann ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Aber wenn das alle wissen, empfinde ich das als nicht so belastend. Unter anderem deshalb war es für mich auch vor zwei Jahren so wichtig, meine Erkrankung auf meinem Blog FeeistmeinName.de öffentlich zu machen

Hürde Acht: Erholsam schlafen

Schließlich bleibt nur zu hoffen, dass ich gut schlafe, damit ich die Tage fit angehen kann. Zu harte Matratzen sind schwierig, weil ich dann aufgrund meiner Einstichstellen keine Einschlafposition finde, die nicht schmerzt, und zu warme, wenig atmungsaktive Decken oder stickige Räume führen ebenfalls zum Uthoff-Phänomen und damit zu mangelndem Schlaf. Das lässt sich aber leider nur begrenzt planen und auch der Standard eines Hotels sagt darüber oft nicht viel aus, denn dafür sind die Ansprüche der Gäste einfach zu verschieden. Ich checke aber auch hier vorher oft Buchungsportale auf entsprechende Hinweise.

Ich lasse mich jedenfalls von der MS nicht vom Reisen abhalten, auch wenn es im ersten Moment etwas komplizierter ist. Ganz im Gegenteil. So lange ich keine größeren Einschränkungen habe, was beispielsweise die Mobilität angeht, habe ich es sowieso noch gut getroffen. Und bis dahin (was hoffentlich noch sehr lange hin ist oder niemals kommt) nutze ich die Zeit, so viel von der Welt zu sehen wie möglich. Also dann, wo geht es als nächstes hin?

Danke für den tollen Gastbeitrag und die schönen Bilder an Fee Jasmin!

Gastblogger Teilzeitreisender

Eine Vielzahl von ausgesuchten Gastautoren hat für Teilzeitreisender.de geschrieben. Wer geschrieben habt erfahrt ihr in den jeweiligen Artikeln. Danke vor allen an Bianka, Ewa, Jana, Elena und Ulrike!

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