Ungeduldig warte ich am Bahnhof von Vancouver. Es ist kurz nach halb vier nachmittags. Nur noch knapp 100 Minuten, dann startet unser Zug und ich habe keine Ahnung wo Elena gerade ist. Ihr Flug von Vancouver Island konnte am frühen Nachmittag nicht starten – es ist unklar, ob ich den Weg nach Seattle allein antreten muss.
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Ein Businessticket für 77 Dollar
Mein Ticket habe ich schon gekauft. Nachdem es online trotz langer Vorbereitung nahezu unmöglich schien, hatte ich am Schalter nur 5 Minuten gebraucht und unglaubliche 77 Dollar investiert – für ein Business-Class Ticket von Vancouver und Seattle. „You have the second cheapest rate“ wird mir mitgeteilt – und mein Reisebudget freut sich!
Der erlösende Anruf kommt kurze Zeit später. Elena ist endlich am Vancouver Airport gelandet und braucht wohl knapp 30 Minuten bis zum Bahnhof. Die Minuten ziehen sich wie Kaugummi. Und ich werde immer nervöser, als die ersten Gäste Richtung „Immigration“ gehen.
Eine Bahnfahrt mit Passkontrolle
Elena ist wie geplant eine halbe Stunde später da. Knapp 6 Monate haben wir uns nicht gesehen – und doch bleibt für große Wiedersehensbekundungen nur wenig Zeit. Ein Ticket kaufen, durch die Passkontrolle – wir sind schon ziemlich knapp dran.
Hier macht sich unser Business Class Ticket das erste Mal bezahlt. Während sich die Comfort-Gäste noch durch eine Schlange quälen muss, werden wir durch-gewunken zu einem netten Nordamerikaner – der unsere Pässe sehen will. Wo wollen Sie hin, was machen Sie da, wie lange bleiben sie in den USA? Das also – was man auch an jedem Flughafen gefragt wird. Neu ist hier jedoch, dass wir 6 US-Dollar Bearbeitungsgebühr bezahlen müssen. Wir erfahren, dass diese bei einer Fluganreise schon inkludiert sind – bei einer Zugfahrt zwischen Kanada und den USA jedoch zusätzlich bezahlt werden müssen. Einen Stempel und eine gefühlte Ewigkeit bei der Bezahlung unsere Gebühr später sind wir endlich auf dem Weg zum Zug.
Eine Bahnreise beginnt
Wie auch in Deutschland müssen wir ewig bis vor zur ersten Klasse laufen. Ich bin ganz dankbar, dass ein kleines Höckerchen den Einstieg erleichtert – irgendwie wurde das Gleis hier wohl etwas flach angesetzt. Die Businessclass ist nicht vollständig besetzt und auch wenn wir reservierte Plätze haben, Platz hätten wir hier allemal gefunden. Nachdem unsere Rucksäcke verstaut und wir an unseren Plätzen sind – geht es auch schon los. Keine Minute zu früh. Und doch kommen wir wenige Meter weiter schon wieder zum Stehen. Das passiert also nicht nur in Deutschland ;)
Zum ersten Mal seit Tagen kann ich durchatmen. Elena und ich sitzen im Zug und fahren nach Seattle! So lang haben wir uns nicht mehr gesehen und so reden und reden wir die ganzen 4 Stunden – nur unterbrochen von ständigen „Schau mal!“
Ganz viele Oohs und Aaahs
Und zu sehen gab es unglaublich viel Spannendes. Eine tolle Eisenbahnbrücke im Süden von Vancouver – niedliche Küstenstädte direkt an der kanadisch/US-amerikanischen Grenze und viel Natur. Mit etwas Glück erlebt ihr auch die tollen Sonnenuntergänge direkt an der Küste – vor allem im August/September lohnt sich die Fahrt!
Die Vorzüge der „ersten“ Klasse
Was sich schon am Bahnhof bezahlt gemacht hat, hält im Zug an. Für alle Business Class Gäste gibt es einen Voucher, mit dem man sich im Bistro ein Softdrink, Wein oder Bier holen kann. Das haben wir natürlich gleich genutzt und uns auch noch ein kleines Abendbrot gegönnt ;)
In einem kleinen Bistro direkt neben unserem Abteil saßen wir fast allein – und nichts ist schöner als ein Abendessen zu genießen, wenn vor dem Fenster die Welt vorbeizieht. Darf ich verraten das der Zug auch noch ständig gehupt hat? Was eigentlich der Sicherheit dient – lässt bei mir mein Bahnreiseherz ganz laut schlagen.
Ankunft in Seattle
Es ist kurz vor zehn, als wir in Seattle am Bahnhof ankommen. Inzwischen ist es dunkel. Die Schaffnerin wünscht uns noch eine „Good Night“ und schon stehen wir am Bahnhof.
Die Bahnhofshalle beeindruckt mich – erinnert sie mich doch sehr an Europa. Jetzt müssen wir nur noch unser Hotel finden….
- In Vancouver fahren die Züge von der Pacific Central Station. Diese erreicht ihr am besten mit dem Skytrain „Main Street“ und einem kurzen Fußweg. Im Bahnhof selbst gibt es einen kleinen Shop und einen Imbiss. Linker Hand am Ende des recht übersichtlichen Bahnhofes findet ihr den Bahnschalter, an dem ihr auch eure Tickets kaufen könnt.
- Je nach Saison kosten die Tickets mehr oder weniger. Online könnt ihr bis zu 10 Dollar sparen, Dienstag gibt es immer besondere Specials für die verschiedenen Bahnstrecken. Es gibt Comfort Tickets und Businessclass – Tickets – die wir nur empfehlen können.
- Ein Gepäckstück mit einem Gewicht von bis zu 50 Pfund dürft ihr mit in den Zug nehmen. Mehr Gepäck könnt ihr gegen Aufpreis „einchecken“.
- Rund eine Stunde vor Abfahrt solltet ihr spätestens da sein, da ihr am abfahrenden Bahnhof eine Passkontrolle durchlaufen müsst. Die Passkontrolle kostet 6 US-Dollar, die ihr am besten passend dabeihaben solltet. (bei Kartenzahlung erwartet euch eine Extrawartezeit).
- Während der Fahrt gibt es zwei Punkte an denen ihr eure Pässe zeigen müsst. Einmal beim „Check In“ in der Stadt in der ihr abfahrt, einmal an der Grenze USA/Kanada. Die Grenzbeamten kommen in den Zug – das wird jedoch auch angekündigt, so dass ihr Zeit habt, euren Pass rauszusuchen.
- Im Zug selbst könnt ihr Essen und Trinken kaufen – auch Kartenzahlung ist möglich. Es gibt ein kleines Bistro, in dem ihr euch entspannt hinsetzen könnt
- Die Züge von Vancouver nach Seattle fahren zwei Mal täglich. Einer fährt am Vormittag (ca. 10 Uhr) und einer am späten Nachmittag (Start 17:30). Es gibt Zwischenstopps vor allem an der Küste.
- Am Platz habt ihr eine Steckdose und in der Businessclass auch Ledersitze sowie richtig viel Platz. Das Gepäck könnt ihr in großen Ablagefächern verstauen. Bildschirme informieren über die nächsten Haltepunkte.
- Den Bericht von Elena über unser Schlaflos in Seattle – Abenteuer könnt ihr natürlich auch nachlesen
- Madlen hat das grüne Seattle entdeckt – zu schade das ich nicht die Zeit hatte, ihren Tipps zu folgen.
- Lust auf einen Roadtrip von Seattle weiter? Anja hat da tolle Erfahrungen gemacht
Die Reise ist selbst bezahlt.
[…] quer durch Florida (8 Stunden) mit einem Amtrak Zug gefahren und habe mir eine der schönsten Strecken von Vancouver nach Seattle angeschaut. Wusstet ihr das es direkt entlang der Route 66 eine Bahnverbindung gibt? Bezahlbar und […]
[…] Reisen in den USA aufgefallen. Sowohl im Greyhoundbus als auch im Amtrakzug durch Florida und von Vancouver nach Seattle und auch auf den inneramerikanischen Flügen hatte ich unglaublich Platz. Aktivkleidung für XL? […]
Toller Beitrag. Sollten wir wirklich auch mal machen. Für unsere Kids ist das bestimmt auch was. Zug fahren finden sie schon allein deshalb spannend, weil sie nicht angeschnallt bleiben müssen. Mal schauen, vielleicht verschlägt es uns nächstes Jahr in die Gegend.
Das stimmt. Herumlaufen ist im Zug einfacher. Und dank Wifi und Strom auch kein Problem sie einfach mal mit dem Tablet hinzusetzen und sie filme schauen zu lassen.
Der Artikel kommt ja wie gerufen :)
Wollen nächstes Jahr Seattle -> Vancouver -> Toronto -> Niagara -> NY machen und spielen mit dem Gedanken uns den Mietwagen von Seattle nach Vancouver zu sparen und mal den Zug zu nutzen, da wir das von Thailand in wunderschöner Erinnerung haben :)
Allerdings wird es für uns dann von Seattle nach Vancouver gehen. Einzig die Frage ist, ob man im Zug nicht oft das Bedürfnis hat „kurz auszusteigen und das kleine Küstendorf zu erkunden“? Die Freiheit fehlt halt, im Gegensatz zum Auto…
Liebe Grüße :)
Hallo Oli,
tatsächlich kannst du unterwegs aussteigen. Es gibt 4 Zwischenstopps, wovon soweit ich mich entsinnen kann, zwei direkt an der schönen Küste sind. Wir sind rund die hälfte im Dunkeln gefahren, daher kann ich nicht sagen, ob es weiter südlich lohnenswert ist, zu halten. Ich liebe Bahnfahren – und stundenlang nur aus dem Fenster starren während vor mir eine Lok hupt – mit dem Auto bin ich in den USA zwar auch gerne unterwegs – ich glaub die gesunde Mischung macht es.