Die Welt entdecken, absolut mobil sein, das eigene Bett mit Küche, Bad und allem, was einem auf Reisen wichtig ist, immer dabei zu haben, übernachten können, wo man will, spontan entscheiden, wohin man will, autark sein, unabhängig sein. Das sind wohl die Gründe, warum wir mit dem Wohnmobil Urlaub machen wollen. Wir haben auf einer einwöchigen Tour durch Schleswig-Holstein ein Wohnmobil von Indie Campers, einem der Marktführer für die Vermietung von Wohnmobilen europaweit, getestet und wollen euch die Vorzüge, aber auch Nachteile einer Reise mit dem Camper aufzeigen.
Inhaltsverzeichnis
37 Indie Camper-Standorte in 15 Ländern
Einen Indie Camper könnt ihr europaweit mieten, in Deutschland gibt es gut verteilt sechs Standorte, nämlich in Berlin, Hamburg, München, Frankfurt, Köln und Jestetten an der Schweizer Grenze ( von Indie Campers als Zürich deklariert). Für unseren Trip durch den Norden Deutschlands fuhren wir entsprechend nach Hamburg. Unser Auto konnten wir nicht auf dem Firmengelände abstellen, es war aber kein Problem auf der Straße zu parken.
Unsere Erfahrungen mit dem Wohnmobil „Nomad“
Nach Übernahme mit ausführlicher Einweisung ging es also los. Unser erster Eindruck? Ganz schön groß und massig wirkt der Nomad, das kleinere von zwei in Deutschland zur Verfügung stehenden Modellen, aber immerhin auch 6 Meter lang und 2,70 Meter breit. Innen ist der Platz jedoch beschränkt, die Verarbeitung des von Weinsberg ausgebauten Fiat Ducato aber hoch- und neuwertig.
Das größte Manko am Nomad ist für mich das Bett. Darauf hatte ich bei der Buchung nicht geachtet, da ich auch ganz gut in Betten, die etwas kürzer als ich sind, schlafen kann. Aber 1,85 m sind eindeutig zu wenig. Dazu kam, dass das zweite Bett- obwohl technisch möglich- nicht entfernt werden durfte, sondern nur zur Hälfte zusammengeschoben werden konnte. So war der Freiraum nach oben zumindest für eine Person sehr beengt genauso wie der Ausstieg nach vorne- seitlich durch Bad- und Küchenzeile begrenzt.
Ansonsten gab es nichts zu meckern. Der Kompressor-Kühlschrank ist groß und leistungsstark (auch bei hohen Außentemperaturen war das Bier kalt genug), wenn auch nicht ganz lautlos. Der 2-Flammen-Kocher reicht für einen großen Topf/Pfanne und einen kleinen Topf, Bad in Ordnung, auch wenn das Waschbecken sehr klein ist, Stauraum gerade ausreichend für zwei Personen.
Wer als Familie reist, aber auch für alle Personen über 1,85 m Körpergröße muss ich das größere Modell, den Atlas, empfehlen. Beide Doppelbetten sind über 2 m lang, das zweite ist ein Hubbett, das über dem Tisch herabgelassen wird und morgens wieder hochgefahren wird. Insgesamt hat man sehr viel Platz, auch das Waschbecken ist größer und es gibt ein zusätzliches Kochfeld. Dafür ist man auch mit einem Gefährt unterwegs, das nochmal einen Meter länger und 30 cm breiter ist als der Nomad.
Beide Modelle verfügen über eine zusätzliche Bordbatterie, die die Stromversorgung mindestens für einen Tag sicherstellt, bevor wieder gefahren oder an Strom angeschlossen werden muss. Den Ladezustand kann man ablesen.
Unsere Bedenken, dass die Fahrräder bei fehlendem Träger schlecht verstaut werden könnten, bestätigten sich glücklicherweise nicht. Der Tisch kann mit einem Handgriff ausgeklinkt und zusammengeklappt werden, so dass ein Fahrrad im Innenraum stehen konnte, das zweite auf mitgebrachten Decken zur Polsterung auf das Bett gelegt werden konnte. Dennoch möchte ich Indie Campers dringend empfehlen, zumindest optional einen Fahrradträger an ihre Fahrzeuge anzubringen. Schließlich bewegt sich der Wohnmobilist auf kleineren Strecken vor Ort am liebsten mit dem Fahrrad.
Ein Abend in Hamburg
Am Sonntagnachmittag ging es vom Indie Campers-Depot um ein paar Ecken zum Wohnmobilhafen. Ok, es gibt schönere Plätze als auf Schotter unter der S-Bahntrasse, aber in einer Viertelstunde waren wir mit dem Rad im Zentrum, tranken ein Bier am Wasser in der HafenCity, bestaunten die Elbphilharmonie und hörten richtig gute Musik (passenderweise Indie-Rock) an den Landungsbrücken.
Schön war´s, nach langer Zeit in dieser Corona-Ära mal wieder ein Konzert zu erleben.
Weiter ging es zur Binnenalster und schließlich aßen wir lecker im portugiesischen Viertel in der Nähe der Landungsbrücken.
Viel Platz für uns in Sankt Peter-Ording
Am nächsten Tag fuhren wir ans Meer. Unsere Wahl fiel auf Sankt Peter-Ording, auch weil es hier einen breiten und 12 km langen Sandstrand gibt. Platz genug für jeden Sonnenanbeter.
Der Nomad lässt sich gut fahren, der 120 PS starke Motor sorgt für eine gemächliche Beschleunigung bei dem schweren Gefährt, aber mehr braucht es bei einem Wohnmobil nicht unbedingt. Auf den kleinen Straßen der Halbinsel Eiderstedt wurde es manchmal ziemlich eng, bei einem Hinweis auf das Dorf Welt mussten wir noch für das Foto am Anfang dieses Artikels einen Schlenker fahren, aber schließlich kamen wir auf unserem Campingplatz an. Den Wohnmobilstellplatz in Sankt Peter-Ording (vor Ort auch SPO genannt) mieden wir, er ist nicht viel günstiger als die fünf Campingplätze in SPO und wie meistens in Deutschland weniger schön (da überwiegend asphaltiert).
Der ausgewählte Campingplatz liegt im ruhigen Süden von SPO, schnell ist man am Strand, zum Meer ist es je nach Tidenstand aber noch sehr weit. Der Strand ist hier sehr flach, so dass das Wasser bei Ebbe weit entfernt ist und wir hier nicht schwimmen konnten, sondern nur im knöcheltiefen Wasser waten konnten. Weiter nördlich ist der Strand auch sehr breit, aber der Sand locker und das Meer zum Schwimmen geeignet. Aber mit dem Fahrrad waren wir ja sowieso überall unterwegs und abends bot das Pfahlbaurestaurant „Die Seekiste“, das südlichste der fünf Strandlokale, bei ausgesprochen nettem Service leckere Fischgerichte und gepflegte Getränke zu angemessenen Preisen an.
Im Norden war das schwieriger. die „Silbermöwe“ hatte trotz bestem Wetter (wg. Corona?) geschlossen, vor der daneben (im Wasser!) stehenden Strandbar 54° Nord gab es immer eine viel zu lange Warteschlange und in der Arche Noah tranken wir nur einen Aperol. Die Preise sind hier sehr hoch, die Serviceleistungen bewegten sich dagegen- zumindest bei unserem Besuch- auf niedrigem Niveau. „Die Strandhütte“ vor St. Peter-Dorf haben wir nicht besucht.
Von Eiderstedt zum Plöner See
Nach zwei wunderschönen Tagen an der Nordsee machten wir das, was das Fahren mit dem Wohnmobil ausmacht. Wir zockelten gemächlich durchs Land, hielten, wo es uns gefällt und wussten nicht, wo wir am Abend landen würden.
Wenige Kilometer neben SPO konnten wir in Westerhever mit seinem Leuchtturm schön spazieren gehen, in Garding einkaufen und uns die Dorfkirche anschauen und schließlich das hübsche Städtchen Friedrichstadt mit seinen Holländerhäusern und Grachten besuchen. Wer in der Nähe Urlaub macht, sollte einen Abstecher hierhin nicht versäumen.
Wir befanden uns noch immer auf der Halbinsel Eiderstedt, machten nun aber mal was Strecke und kamen am Plöner See an. Wir wollten evtl. auch wild campieren, das ist zwischen Nord- oder Ostsee aber gar nicht so ohne weiteres möglich, da auf Parkplätzen hier nicht übernachtet werden darf und sich mit dem Womo einen abgeschiedenen Ort zu suchen, ist auch nicht so einfach. Am Plöner See konnten wir uns aber auf einem Campingplatz vor die Schranke stellen, ein für Wohnmobile auf vielen Plätzen übliches Procedere. Genauso wie auf einem reinen Womo-Stellplatz gibt es hierfür keine Reservierung und zahlen kann man dann auch am nächsten Tag.
Wir gingen schwimmen, aßen was im Campingrestaurant und setzten uns dann zum Sonnenuntergang mit einem Bier auf den Steg. Hier auf der Ostseite des Plöner Sees konnten wir am längsten die Abendsonne genießen und dann über dem Plöner Schloss untergehen sehen, auf der vor unserem Platz liegenden Vogelinsel suchten Tausende von Vögeln ihr Nachtquartier auf.
Am nächsten Tag machten wir eine Radtour um den See, die ist etwa 36 km lang. Teilweise gibt es schöne Strecken durch den Wald oder über einsame Landstraßen, nur ein kurzes Stück ( zwischen Ascheberg und Plön) geht direkt an der B 430 entlang. An der Prinzeninsel, einer Halbinsel bei Plön, gingen wir nochmal schwimmen, schlenderten dann durch die schöne Plöner Innenstadt und durch den Schlossgarten, bevor wir an unserem Camper ankamen und nach Ratzeburg weiterfuhren, wo wir am Abend ankamen.
Die letzten Tage am Ratzeburger See
Die letzten drei Nächte verbrachten wir am Ratzeburger See, zwei hatten wir eingeplant, dann wollten wir noch nach Lübeck und/oder an die Ostsee, aber es ergab sich, dass es am letzten Tag doch noch einen freien Platz gab, nachdem erst alles ausgebucht war. Und bei schönstem Wetter wollten wir dann auch nicht mehr weiterfahren, sondern nur noch relaxen und genießen. Der Campingplatz heißt „Zur schönen Aussicht“ und die hatten wir wirklich und zwar direkt vom Bett aus.
Bis nach Ratzeburg sind es mit Rad durch den Wald 3 km. Außer einem schönen Dom und ganz viel Wasser – die Innenstadt liegt auf einer Insel im See- hat Ratzeburg nicht all zu viel zu bieten, aber wir aßen hervorragenden Fisch (frisch aus dem See) in einem netten Restaurant direkt am Wasser. Am Campingplatz gibt es neben einem weiteren Campingplatz auch ein schön gelegenes Restaurant, sonst konnten wir einfach sonnen, chillen, schwimmen, Kanu und Fahrrad fahren.
Und auch hier auf dem Campingplatz konnten wir den Sonnenuntergang über dem See genießen.
Unser Fazit zum Wohnmobil-Urlaub
Sicherlich werden wir zukünftig nicht jeden Campingurlaub im Wohnmobil verbringen, je nach Art des Urlaubs haben auch Zelt oder Wohnwagen Vorteile. In meinem Plädoyer für einen Zelturlaub könnt ihr dazu mehr lesen. Wem das zu unkomfortabel ist, aber seinen Urlaub an einem (oder zwei, drei) Orten verbringen möchte und die Umgebung mit dem Auto erkunden will, für den ist ein Urlaub mit Wohnwagen besser geeignet. Aber mit dem Wohnmobil kann ich neben Campingplätzen auch auf extra dafür vorgesehenen Stellplätzen oder auch mal „wild“ übernachten, genieße also die größte Freiheit. Wenn ich immer wieder mal meinen Standort im Urlaub wechseln möchte, dann ist das Wohnmobil das Richtige.
Auch in anderen Ländern ist Wohnmobil-Urlaub interessant, Indie Campers vermietet in den zu erwartenden südlichen Urlaubsländern (Hauptsitz ist übrigens Portugal, da schienen mir die Angebote auch am günstigsten zu sein), aber auch in Schweden, Schottland und Irland. Und in Island, direkt am Flughafen befindet sich eine Dependance, das erschien mir für einen Urlaub besonders reizvoll, da die Mietgebühren auch nicht so viel teurer als in Deutschland sind und normale Übernachtungspreise in Island dagegen sehr hoch sind. Mit dem Wohnmobil durch Island, ja, das könnte eine Option für den Sommer im nächsten Jahr sein.
Die wichtigsten Hinweise zum Camper-Urlaub in Schleswig Holstein
Die Preise für einen Indie Camper sind je nach Saison, Standort, Mietdauer und Buchungstermin sehr verschieden.
Preisbeispiel für eine Woche Ende September von Hamburg (Anfang Juli gebucht) incl. Standardversicherung und Reinigung:
- Nomad 669,- €
- Atlas 752,- €
- Die Preisspanne zwischen den beiden Modellen kann je nach Nachfrage und Verfügbarkeit auch deutlich größer sein.
Pro Miettag sind 150 km Fahrleistung im Preis enthalten, für eine Woche also 1050 km, jeder weitere Kilometer kostet 39 Cent extra! Wer viel fahren will, kann für 24,90 €/Tag zusätzlich auch die unlimitierte Variante wählen. Wir sind auf unserer Tour genau 500 km gefahren.
Bei der Basisversicherung wird eine Kaution von 2350 € (für den Nomad) erhoben, die bei entsprechenden Schaden am Fahrzeug einbehalten wird. Darum Standardversicherung (749,-bis 999,- € Kaution, außerdem ein zusätzlicher Fahrer zulässig) für ca. 18,- €/Tag oder Premiumversicherung (250,- € Kaution, drei zusätzliche Fahrer) für knapp 30 €/Tag abschließen.
Die Küche ist unbestückt, Geschirr, Besteck etc. also mitbringen. Wer nicht mit dem eigenen Auto anreist, kann ein Küchen-Set (15,90 € pro Buchung), Bettwäsche (29,90 €) und Tisch und Stühle (29,90 €) dazu mieten. Auch Klappräder können gemietet werden, die schlagen allerdings mit 10,90 € pro Tag und Stück zu Buche.
Sind Abhol- und Abgabeort verschieden, zahlt man eine Überführungsgebühr, innerhalb eines Landes ca. 150 €.
Preise gelten für Wohnmobil mit zwei Personen incl. Strom in der Hauptsaison
Hamburg
- Wohnmobilhafen 25,- € incl. san.Einrichtungen
- Elbecamp ca. 35 € , schöner Campingplatz am Elbstrand, ca.15 km bis zur Innenstadt
St. Peter-Ording
- Campingplatz Rönkendorf 28,50 € + Kurtaxe, zwei weitere, ähnlich gestaltete Plätze liegen direkt nebenan
- Reisemobilhafen SPO 20,- € incl. san. Einrichtungen + Kurtaxe
Plöner See
- Campingpark Gut Ruhleben, Bösdorf 17,- € vor der Schranke, 20,50 € normaler Platz, 23,- € in der ersten Reihe, HS in den norddeutschen Sommerferien, sonst 3-4 € günstiger
- Es gibt am Plöner See einige weitere Campingplätze, von Gestaltung und Lage hat uns der o.gen. aber am besten gefallen, mit dem Rad ist man in 10 min in Plön
Ratzeburger See
- Campingplatz „Zur schönen Aussicht“, Römnitz 23,- €, 30,- €in der ersten Reihe, sehr ruhiger Platz, große Stellplätze
- Campingplatz Schwalkenberg, Römnitz 24,- €, deutlich größer und lebhafter, für Familien mit Kindern wahrscheinlich besser geeignet
- Wohnmobilstellplatz am Hallenbad, Ratzeburg 8,- € incl. Entsorgung, Frischwasser und Strom kosten extra. Quasi auf dem Parkplatz vom Hallenbad, wenige Plätze aber mit Seeblick, dafür früh ankommen, zentral gelegen
Offenlegung: Wir haben bei der Anmietung des Indie Campers einen Blogger-Rabatt bekommen. Alle weiteren Kosten haben wir selbst bezahlt.
Das klingt ja nach einem tollen Trip. Ich möchte nächstes Jahr von Nordrhein-Westfalen nach Schleswig-Holstein mit einem Mietwohnmobil fahren. Vielleicht mache ich auch einen Stopp in Hamburg. Der Wohnmobilhafen klingt lustig, auch wenn es vielleicht nicht sehr ästhetisch ist.
Vor Corona haben wir fast immer Urlaub in Hotels gemacht. Da diese aber im Jahr 2020 die meiste Zeit geschlossen waren mussten wir auf Campingplätze ausweichen. Erschwerend kam dann noch dazu das unsere Führerscheine uns nur erlauben bis 3,5 Tonnen zu fahren war die Auswahl eines Campers eingeschränkt leider. Eigentlich wollten wir das größte Modell mieten aber der war leider zu schweren für unseren Führerschein.
Moin moin Andreas,
dein Beitrag inspiriert mich, das mit deinem Wohnmobil ebenfalls mal auszuprobieren. Vor einem Kauf würde ich erstmal ein Mietmobil in Betracht ziehen. Und by the way, SPO kann ich ebenfalls empfehlen, wenn auch bislang nur als normaler Hoteltourist.
Urlaubsgrüße
Uwe