„Home sweet home“ noch bis Ende Juni zu sehen
Das ehemalige Rathaus der Stadt Ingelheim beherbergt seit 1984 das Kunstforum. Finanziert und betrieben wird es vom größten Arbeitgeber und Steuerzahler der Stadt, dem Pharmaunternehmen Boehringer, das in dem zweistöckigen, durch markante Rundfenster gegliederte Gebäude aus dem späten 19. Jahrhundert jedes Jahr die „Internationalen Tage“ ausrichtet.
Wobei der Begriff „Tage“ etwas irreführend ist, denn die Ausstellungen sind in der Regel gut zwei Monate zu sehen, immer zwischen Mai und Juli.
Inhaltsverzeichnis
Blick öffnen für das Leben anderer Völker
Dr. Ernst Boehringer als Mitinhaber des Familienunternehmens Boehringer Ingelheim wollte mit den internationalen Tagen den Blick der Beschäftigten und Einheimischen in Rheinhessen öffnen für das Leben und die Kultur anderer Nationen und Völker.
Bei der ersten Ausstellung 1959 standen Frankreich und die Schweiz als Länder im Fokus; in den Jahren danach folgten Spanien, Österreich, Großbritannien, Italien, Holland und Griechenland. 1966 war erstmals kein Land das Thema, sondern Goya, später auch Künstler wie Paul Klee, Pablo Picasso, Edouard Manet, Andy Warhol und Marc Chagall.
Das Kunstforum Ingelheim – Strahlkraft weit über die Region hinaus
Rasch hat sich das Kunstforum Ingelheim, das über drei Jahrzehnte hinweg von dem Schweizer Dr. François Lachenal geleitet wurde, zu einer Institution etabliert. Längst kommen die Gäste nicht nur aus Rheinhessen, Rheingau oder Frankfurt, sondern aus dem gesamten Bundesgebiet und den Nachbarländern.
„Home Sweet Home“ – die aktuelle Ausstellung
Noch bis Ende Juni ist die diesjährige Ausstellung mit dem Titel „Home sweet home“ zu sehen, clever gegliedert in fünf Bereiche von der neuen Leiterin der „Internationalen Tage“, Kunsthistorikerin Dr. Katharina Henkel.
Es geht um das alltägliche Tun, Erleben und Erfahren im eigenen Heim mit seinen Licht- und Schattenseiten: Das Zuhause als Ort der Privatsphäre, der Familie und Geborgenheit, aber auch der Bedrohung und Gewalt, der Freizeit und des Müßiggangs sowie der Arbeit.
Blick durchs Schlüsselloch
Im ersten Raum geht es um die Privatsphäre in den eigenen vier Wänden. Gezeigt werden Liebespaare, Frauen und Männer beim Waschen, Zähneputzen, Ankleiden und Schminken vor dem Spiegel.
Hier sind die Besucher sozusagen Voyeure, denn die Werke von Edgar Degas, Pierre Bonnard, Karl Schmidt-Rottluff und Norbert Tadeusz zeigen das Zuhause als den Ort, an dem wir uns nackt und ungeniert bewegen.
Das Zuhause als Ort von Liebe
Im nächsten Raum wird der Blick auf die Familie gerichtet, den Umgang miteinander, das Einstehen füreinander und die Sorge umeinander.
Gezeigt wird in den Bildern von Paula Modersohn-Becker, Nathalie Djurberg, Hans Berg, Conrad Felixmüller und Beate Höing das Zuhause als der Ort von Liebe, Nähe, Zuwendung und Geborgenheit.
Das Zuhause als Ort von Gewalt
Mit dem Wechsel in den dritten Raum ändert sich die Stimmung von Harmonie zu einem Ort der Bedrohung. Einerseits fühlen wir uns an kaum einem anderen Ort so geschützt wie zu Hause. Das macht uns verletzlich für Gewalt.
Diese Facetten zeigen Werke von Max Beckmann, Pablo Picasso, Herlinde Koelbl, Patricia Waller, Eleanor Macnair oder Csaba Nemes. Hier wird das Zuhause von innen heraus als Ort massiver Bedrohung gezeigt.
Das Zuhause als Ort von Zerstreuung
Was im vierten Raum folgt, ist eine Erfindung der Neuzeit: Freizeit, etwas, das unsere Vorfahren praktisch nicht kannten.
In den Werken von James McNeill Whistler, Paul Kayser, August Macke, Walter Gramatté oder Ulrike Theusner wird der Blick auf etwas gelenkt, das abfällig als Zeitvertreib oder Müßiggang bezeichnet wird. Die Personen in den Bildern musizieren, spielen, lesen oder dösen. Doch in solchen Momenten der Ruhe oder des Müßiggangs sind schon häufig genug bahnbrechende Erfindungen und Ideen, Erkenntnisse oder kreative Schübe entstanden.
Das Zuhause als Ort für Arbeit
Und das führt direkt in den letzten, den fünften Raum. Hier geht es um das Thema Arbeit zuhause.
Corinna Schnitt, Erich Hartmann, Thomas Wrede oder Johannes Hüppi, Maurice Denis, Fritz Nölken oder André Villers zeigen Menschen bei der Arbeit im Haushalt, beim Bügeln, am Schreibtisch oder Maler bei ihrer Arbeit im heimischen Atelier.
Frösche, Feuer, Finsternis
Wer nicht bis zum nächsten Frühjahr warten möchte mit einem Besuch des Kunstforums, besucht die Ausstellung „Frösche, Feuer, Finsternis“ diesen Herbst. Vom 14. September bis 10. November geht es um die zehn Radierungen des niederländischen Künstlers Jan Luyken, der jede der zehn Plagen aus dem Alten Testament detailliert darstellte.
Zehn Künstler haben sich mit den zehn Arbeiten von Jan Luyken auseinandergesetzt. Ihre Neuinterpretationen der zehn Plagen reichen von kleinformatigen bis in den Raum greifenden Arbeiten, von figürlichen, farbigen bis hin zu abstrahierten schwarz-weißen Zeichnungen.
Mehr Infos unter: www.internationale-tage.de
Eintritt 8,00 Euro, ermäßigt 6,00 Euro.
Geöffnet bis 30. Juni 2024.
Francois-Lachenal-Platz 1, 55218 Ingelheim am Rhein
[…] in Ingelheim das Kunstforum im Alten Rathaus besucht, kann direkt danach eine andere Form von Kunst genießen, und zwar die Kunst des […]