Ich komme mir vor wie in einem Zombie-Film. An einem frühlingshaften Vormittag im März laufe ich über den Vorplatz des Flughafens Tempelhof. Nur Monique, Elena und Maximo wandern vor mir herum, ein einsames Auto steht auf dem Parkplatz. Sonst ist niemand zu sehen. Wir stehen vor Eingangspforte des Flughafen Tempelhof. Geschlossen. Auch das Fundbüro nebenan wirkt, als wäre das letzte Fundstück schon vor Jahren abgeholt worden.
Seit 2008 ist hier kein Flugzeug mehr abgehoben. Während sich das Rollfeld immer mehr in einen riesigen innerstädtischen Park für Grillfreunde, Guerilla-Gardening-Fans und Inlineskater wandelt, wirkt das riesige Flughafengebäude fast vereinsamt. Und dabei gibt es hier ein paar Unternehmen die sich niedergelassen haben. Auch die Abfertigungshalle wird häufig für Ausstellungen genutzt.
Eigentlich wollen wir ja auch aufs Rollfeld. Aber irgendwie interessiert uns auch dieser riesige Komplex. Als ich dann noch erfahre, das es hier auch Führungen gibt, bin ich sofort Feuer und Flamme. Doch wo bitte gehts hier zur Führung ? Wir streunen ein wenig herum und finden nach knapp 10 Minuten rechter Hand einen kleinen Eingang mit der Aufschrift „Besucherzentrum“.
Im ehemaligen GAT Bereich (das ist in Fachsprache der Bereich, wo die „zivilen“ Bürger mit ihren Privatmaschinen haben einchecken können) beginnen all die Führungen. Als wir ankommen, ist jedoch die Tour „Verborgene Orte“ schon längst unterwegs. Mit ein wenig Verhandlungsgeschick gelingt es uns aber noch, Teil der Gruppe zu werden.
Knapp 10 Minuten „Vorgeschichte“ haben wir verpasst, doch kaum sind wir dabei, geht es Schlag auf Schlag. Wir schauen hinaus aufs Rollfeld und entdecken eine alte US Airforce Maschine, die 1948/49 während der Berliner Blockade bekannt als Luftbrücke die Westberliner Bevölkerung mit Nahrung, Kohle, Benzin und Medikamenten versorgt haben.
Unser Guide erzählt uns über die Taktung (damals landete alle drei Minuten ein „Rosinenbomber“), über Erfahrungsberichte der Anwohner und über die Amerikaner, die zur damaligen Zeit einer der Hauptmieter im Flughafen Tempelhof waren. Unser Weg führt weiter in den Gepäckhalle unter der Abfertigungshalle. Hier wirkt es fast so, als sei erst vor 2 – 3 Monaten ein Flieger abgefertigt worden…
Wir haben Glück und können uns auch die Abfertigungshalle anschauen. Sehr häufig finden hier Ausstellungen und Events statt und der Raum ist für Führungen dann nicht begehbar.
Auch hier wirkt es fast so, als wenn die Zeit stehen geblieben ist. Fast kann ich mir vorstellen, was hier noch vor wenigen Jahren für ein Trubel herrscht, und fast fehlt mir die Anzeigetafel an der Wand, welcher Flug denn nun als nächstes geht.
Ich erfahre, das der Flughafen eine bewegte Geschichte hat. Erstmals wurde das Gelände in den 20er Jahren als Flughafen genutzt. Das jetzige Gebäude Mitte der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts gebaut. Monumental sollte es werden, einer Hauptstadt würdig. Dieses Ziel hat der Flughafen mit ca. 300.000 Quadratmeter “Bruttonutzungsfläche” und etwas mehr als 10000 Räumen sicher erreicht.
Wir entdecken auf der Suche nach den verborgenen Orten aus der nationalsozialistischen Zeit jede Menge Spuren. Die Bunker in den Seitenflügeln des Flughafens, die mit Wilhelm Buschs Geschichten als Wandmalerei die damals so dunklen Tage hier unten aufhellen sollten.
Mir wird hier bewusst, wie eng, stickig und beängstigend solche Tage und Nächte in diesen Räumen doch waren, aber auch, das sie dem einen oder anderen das Leben gerettet haben. Die Malereien stehen dann im Kontrast dazu.
Wir gehen auf das Ende des Krieges ein und bekommen einen Einblick in das verbrannte Filmarchiv. Was wir sehen, sind immer noch extrem rußige Wände, wir entdecken herabhängende Wandteile und können uns gut vorstellen, wie hier ein Brand gewütet haben muss. Alle Filme des Archives wurden zerstört, damals auch ein großer Teil der „Eingangs/Abfertigungshalle“ und des Rollfeldes.
Nach dem Krieg wurde der Flughafen einer der wichtigsten Stützpunkte für die US Army Air Force. Auch hier gibt es einige verborgene Orte. Ein Tunnel, der von den Anwohnern immer als riesige Rüstungsfabrik interpretiert wurde, mehrere Turnhallen im Inneren des Flughafens und vor allem die „Geheimen Räume“ für Lagebesprechungen und Co.
Wir erklimmen die Etagen über der Eingangshalle. Schon im Treppenhaus stelle ich überrascht fest – Ups – sieht ja alles noch ein wenig unfertig aus ?! Und schon werden wir aufgeklärt, das der Bau der oberen Etagen nie vollendet wurde. Heute steht all das natürlich unter einem besonderen Schutz und so werden die Etagen wohl auch die „unvollendeten“ bleiben….
Faszinierend ist auch die Zwischendecke des Eingangsportals. Diese war bis ende der 40er Jahre nicht vorhanden, aber für den Wiederaufbau des Flughafen brauchte man Material für die Reparaturen… und wollte den Monumentalen Stil ein wenig „abmildern“, und so gibt es auch hier einen verborgenen Ort zu bestaunen.
Die Führung hat noch viel mehr zu bieten und ist von Mal zu mal unterschiedlich. 2 Stunden gehen ins Land und lassen euch in eine völlig andere Welt eintauchen. Wer das ganze mal ausprobieren will, unsere Führung kostete pro erwachsende Person 13 Euro und sind jeden Cent wert. Sie findet Mo,Do,Fr, Sa zu verschiedenen Zeiten statt und kann online vorbestellt werden. Wenn ihr euch über die anderen Führungen, Onlinetickets oder Veranstaltungen in und um Tempelhof informieren wollt, hier gehts zur Homepage der Tempelhofer Freiheit.
Wer übriges schon mal hier ist, sollte auch einen kleinen Spaziergang übers Tempfelhofer Feld wagen. Der Eingang befindet sich seitlich und ist mit einem kleinen Spaziergang entlang der Straßen (ca. 1 Kilometer) verbunden. Gerade im Frühling/Sommer erwacht hier die Welt, es sprießen auf dem Feld
Blumen in den Urban Gardening-Anlagen, es wird gegrillt an jeder Ecke und es fahren zahlreiche Inline und andere Skater herum. Kurzum – hier rockt das Leben. Und mittendrin steht eine alte Verlassende Maschine. Ich setze mich in die Sonne, höre Hunde Bellen und beobachte die ersten Humsumseln beim Ausflug. Mir fällt das Lied ein „What a wonderful world“. Und ehrlich, wenn man einmal in solche einem beengten Bunker gestanden hat, denkt man über das Thema Freiheit, Sonne, Leben doch ein wenig anders.
Hier müsst ihr hin: S41, S42, S46, S47 S-Bhf Tempelhof, 3 Minuten bis zum Haupteingang Tempelhofer Damm (Es wird empfohlen die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen)
Die Bilder sind beeindruckend. Alte Gelände finde ich sehr interessant und würde mir gerne das ganze vor Ort mal ansehen. Ich denke, dass das eine mega Erfahrung wird :). VG
[…] Geschichtlich sehr interessant ist eine Tour durch den stillgelegten Flughafen Tempelhof. […]
[…] die Tour im Flughafen Tempelhof habe ich natürlich auch gebloggt. Denn das sollte man gesehen […]
[…] Eine Führung auf einem stillgelegten Berliner Flughafen […]
[…] meiner Führung durch den Flughafen Tempelhof haben wir uns auch die Bunker angeschaut (die ich jetzt auch mal zu „Unterwelten“ […]
[…] meiner Führung durch den Flughafen Tempelhof haben wir uns auch die Bunker angeschaut (die ich jetzt auch mal zu “Unterwelten” […]
[…] Tour durch den stillgelegten Flughafen Tempelhof […]
Werde ich mir am Freitag auch gönnen :)
Sonst noch irgendwas Empfehlenswertes abseits der „üblichen Touristenattraktionen“?
Super Artikel! Ich war vor zwei oder drei Jahren mal da, auf einer Messe. Total strange, man hat echt das Gefühl gleich komme die nächste Lautsprecheransage… alles sieht aus als wären da gerade gestern noch Leute in alle Welt geflogen…
Lg
Nicole
Ist eigentlich irgend jemandem aufgefallen das die vielen Bilder mit den Beschreibungen Von Hezekiel ab Kapitel 40 in der Bibel übereinstimmen?
Hallo Bully,
zumindest für mich sind das bömische Dörfer. Aber ich kann mir nicht vorstellen, das mein Rundgang auf dem Tempelhofer Feld irgendwas mit der Bibel zu tun hat.
[…] hat in Berlin eine Führung durch die Gebäude vom Flughafen Tempelhof mitgemacht. Was mit diesem vergessenen Ort einmal wird, ist noch […]
Hört sich echt spannend an! Danke für diesen Einblick. Ich habe es dieses Mal zumindest endlich einmal auf das Rollfeld des Tempelhofer Flughafens geschafft :)
Steht für den nächsten Berlinbesuch auf dem Programm. Und der kommt bald! :-)
Liebe Grüße
Jessi
Hallo Janett,
schöne Bilder – sie vermitteln echt den Eindruck, als sei das Gebäude von heute auf morgen verlassen worden. Wirkt schon ein wenig gespenstisch – vor allem, wenn man sich die Geschichte ein wenig vor Augen hält.
Beim nächsten Mal versuche ich auch eine der Touren mitzumachen :-)
Viele Grüße,
Alex
[…] Sonnenuntergang. Wer mag kann sich das denkmalgeschützte Abfluggebäude im Rahmen von verschiedenen Führungen ansehen – so wie es Janet getan […]
Sehr interessanter Bericht. Ich war 2010 das letzte Mal in Berlin und habe gerade heute mal wieder 3 Tage Berlin für den Sommer gebucht. Tempelhof kommt auf die Liste.
LG
Michael
Ich würde super gerne auch mal so eine Tour machen. Am meisten Lust hätte ich auf die Fotografietour!!!! :-) Ich sehe so oft Bilder aus dem alten Gelände und finde das total super!!! Vor allem, weil die Hallen immer so schön leer sind! Bei welchem, noch geöffneten Flughafen, kann man so was jemals sehen???