Es ist sechs Uhr morgens. Ich stehe – noch im Tiefschlaf – an der Bushaltestelle in meinem Heimatort Dormagen. In diesem Moment frage ich mich ernsthaft, was ich da gerade tue. Meine innere Stimme erzählt mir: „Heute wirst du den ganzen Tag Bahn fahren!“ Hab ich schon erwähnt, das in meiner Straße noch alle Fenster dunkel waren?
Erster Stop an diesem Morgen ist Köln. Während ich so langsam wach werde, überrennen mich tausende von Pendler, meine Nase wird durch den Duft von Kaffee verwöhnt und irgendwie finde ich es toll, an diesem Tag mal nicht zur Arbeit zu hetzen, sondern mich in den Zug Richtung Frankfurt zu setzen.
Als ich erzählte, dass ich für eine einstündige Bahnfahrt nach Leipzig fahren würde, und das ich für eine Reise mit der Bahn von Leipzig nach Erfurt tatsächlich knapp 14 Stunden Bahnfahrt auf mich nehme, fragte mich eine gute Freundin doch tatsächlich, ob ich noch alle Sinne beisammen hätte. Freiwillig? Einen Tag deutsche Bahn?
Und ja – das war mein Plan. Mit meinem Laptop in der Tasche wollte ich die Zeit nutzen, um für den Blog zu schreiben. Knapp 3 1/2 Stunden dauerte meine Reise von Frankfurt nach Leipzig. Nachdem das Internet in Frankfurt noch ein wenig bockte, ließ es mich die gesamte Strecke nicht im Stich. Knapp 3 Stunden Arbeitszeit – Rechnungen schreiben, Blogberichte tippen, ich muss euch nicht sagen, das ich an diesem Tag sehr produktiv war.
In Leipzig angekommen nutzte ich meine Zeit, um ein wenig zu shoppen. Der Bahnhof eignet sich dafür hervorragend. Vom Supermarkt, über diverse Schuhgeschäfte, Bekleidungsgeschäfte bis hin zu Souvenirläden hat man hier eine riesige Auswahl, ohne jedoch den Bahnhof zu verlassen.
Mein Termin bei der Bahn rückte näher. Von Tanja alias Reiseaufnahmen bekam ich vorab noch einen tollen Café-Tipp: Die Ludwigsbücherei im alten Wartesaal des Jugendstil-Bahnhofes verfügt über eine entspannte Lounge, die eine Auszeit am Bahnhof garantiert. Während ich entspannt einen frisch gepressten Orangensaft und ein Stück Erdbeerkuchen genieße, gesellt sich Gerhard von Schienereisen.net zu mir. Wie der Zufall es so wollte, schafften wir es nach so vielen Monaten endlich einmal, unserer gemeinsamen Begeisterung für das Bahn fahren zu frönen.
Der Grund? Nun – wir hatten neben einigen ausgesuchten Bahnmitarbeitern und Journalisten die exklusive Möglichkeit, die neue Bahnstrecke von Leipzig nach Erfurt zu erleben. Während der aktuellen Einstell- und Schulungsfahrten einen der begehrten Plätze zu erhaschen. Wer nicht so ein Bahngeek ist wie ich, der wird nicht verstehen, wie sehr ich mich auf diese Tour gefreut habe. Auf einer Strecke mitzufahren, die erst ab dem Fahrplanwechsel zum 13.12.2015 ins Schienennetz integriert wird, ist schon etwas besonderes. Und wenn dann noch einer der Verantwortlichen für den VDE8-2 für alle ach so neugierigen Fragen Rede und Antwort steht, dann geht mir ein Herz auf.
Erster Stop unserer Tour war der Info-Punkt am Bahnhof Leipzig. Dieser kann übrigens von allen Reisenden und Interessierten besucht werden, während das aktuelle Bauprojekt läuft. Drinnen entdeckt man neben zahlreichen Infotafeln auch einen Simulator, der einen Einblick in die Bauarbeiten des Streckenbaus liefert.
Für uns gab es zahlreiche Sicherheitsinstruktionen. Unter realitätsnahen Bedingungen, das heißt mit einem kompletten ICE, wurde die neue Strecke befahren, wir wurden jedoch darum gebeten, nur im ersten Abteil Platz zu nehmen. Der Lokführer wurde geschult und leider durften wir nicht stören, so das wir die neue Strecke nur ganz klassisch vom Platz und durch die Scheibe beobachten konnten. Nach einer Unterschrift und ein paar allgemeinen Informationen über das VDE8-Projekt ging es endlich los!
Ein ganzer ICE für 20 Leute. Wahnsinn. Allein das war schon ein Erlebnis! Während der Fahrt bekam ich einen Eindruck, was hinter dieser Neubaustrecke steckt. Zahlreiche Brücken, zahlreiche Tunnel – ein komplett neues Hochgeschwindigkeitsnetz, was mit den klassischen Bahnstreckennetzen immer weniger zu tun hat. Es gibt keine Steine mehr im Gleisbett und auch die klassischen Querstreben zwischen den Schienen sind nicht mehr da. Um die Hochgeschwindigkeitsstrecken gibt es Schallschutzwände, die auch gegen Schneeverwehungen und Wildwechsel helfen sollen.
Wenn ich es zwischen meinen 1000 Fragen auch mal dazu kam aus dem Fenster zu schauen, sah ich weites Mitteldeutsches Flachland. Ich darf verraten, das die Strecke durch meine alte Heimat führt, und mir die Landschaft daher sehr bekannt vorkommt. Einige Brücken mit besonderen Namen sind entstanden und einige Tunnel wurden gegraben. Würde der Zug nicht so schnell fahren (in 2016 wird er teilweise mit 300 km/h auf dieser Strecke heizen), dann könnte ich noch mehr von der Strecke erleben.
So genieße ich nur noch die Fahrt und bin nach knapp 35 Minuten erstaunt, das wir schon in Erfurt am Bahnhof einfahren. Die letzten Meter dann schleiche ich mich doch noch nach vorne und kann ein paar wenige Fotos vom Sonnenuntergang über der neuen Strecke machen.
Ich kann euch nur empfehlen – nutzt die Chance und fahrt ab dem 13.12. auch mal auf der Strecke. Einige Unterschiede werdet ihr dort auch merken…
- Achtet auf die Stoßdämpfung des Zuges. Ihr werdet sehr deutlich merken, wenn ihr von der alten Strecke (ab Erfurt oder Leipzig) auf der Neubaustrecke unterwegs seit, der Wagen ist wesentlich ruhiger.
- Diese Strecke ist mit ganz neuer Technik ausgestattet, auf die nur knapp 300 Lokführer aktuell geschult werden. Es gibt keine sichtbaren Signale mehr.
- Die Bahnsteige in Erfurt und in Leipzig wurden verlängert, plant das ein, falls ihr eine Reservierung habt.
- Der Flughafen Leipzig/Halle kann nun direkt angefahren werden.
- Was ich zum Thema Sicherheit sehr interessant fand: Auf die neuen Hochgeschwindigkeitsstrecken können Rettungsfahrzeuge viel einfacher fahren, sollte es mal notwendig sein
- Ein paar weitere interessante Fakten zum Projekt findet ihr beim Bloggenden Bahner und bei Schienenreisen.net
Ich fahre an diesem Abend von Erfurt wieder nach Hause. Dank der Verspätung einer Regionalbahn, die ich sonst verpasst hätte, schaffe ich es am Ende sogar, eine halbe Stunde früher daheim zu sein – auch so kann es gehen!
Nun bin ich mal gespannt auf die nächste Teilstrecke, die zum Fahrplan 2017 auch die Bahntrasse zwischen München und Berlin bzw. zwischen Nürnberg und Leipzig beschleunigen soll. Was sich bei der Bahn in Zukunft sonst noch so alles ändert, könnt ihr in meinem Bericht „Bahn fahren wird anders“ nachlesen.
Ach so, und was ich euch auf keinen Fall vorenthalten will – das coole Video von Gerhard alias Schienenreisen.net – der seine Go Pro auf dem Führerstand des ICEs anbringen durfte! Bahnromantik pur!
[…] Janett war unterwegs: VDE8.2 Leipzig – Erfurt oder warum ich einen Tag im Zug verbrachte. […]