Wo fährt die Lok denn hin!
Verwundert stehe ich am Bahnhof Disentis und schau dem Schienenfahrzeug hinterher, wie es auf einem Abstellgleis entschwindet. Soll es das nun schon gewesen sein mit meiner Tour mit dem Glacier Express?
Ein Schaffner klärt mich kurzerhand auf – Wir brauchen mehr „Wums“ vorm Zug. Soll heißen, dass die „Flachlandbahn“, mit der wir bisher gereist sind, nicht wirklich den nun folgenden Anstieg schafft. Dazu benötigt man eine Zahnradbahn – ob die mehr PS hat, weiss ich nicht, aber zumindest schafft sie es dank Zahnradtechnik ohne Probleme hinauf auf 2000 m über dem Meer. Beruhigt schaue ich beim Rangieren zu und merke so gar nicht, das die Zeichen schon wieder auf Abfahrt stehen. In letzter Minute spring ich in den Zug – Puuh das war wirklich knapp. Nicht auszudenken, was ich alles verpasst hätte.
Schnell fährt der langsamste Schnellzug der Welt wahrlich nicht.
Auch das Fotografieren kann ich dank der Spiegelungen im Glas vergessen. Das Internet funktioniert nur sporadisch und so werde ich als Websuechti dazu gezwungen, einfach mal abzuschalten. Verdonnert dazu, einfach mal zu genießen. Anfangs ist es nicht einfach, immer wieder schaue ich auf mein Handy in der Hoffnung, eine Minute Netz zu erhaschen. Doch schon, als ich durch die Kopfhörer vom alten Rhein, von der Natur, der Region, den Sagen und den Menschen höre, ist der Groll und Stress verschwunden. Der Blick aus dem Fenster bietet ein Landschaftsbild, was ich als Flachlandbewohner so noch nirgends gesehen habe. Und dabei sind das noch nicht einmal die 4000er. Ich bestelle eine Grießsuppe und ein Getränk und genieße die langsame Fahrt.
Es ist nicht viel los an diesem Freitag.
Schon hatte ich erwartet, dass die Bahn bis auf den letzten Platz besetzt ist. Und doch kann man die Personen in meinem Abteil schon fast an einer Hand abzählen. Hatte ich bisher geglaubt, dass eine Fahrt mit dem Glacier-Express etwas für die Generation 50+ ist, so wurde ich überrascht. In meinem Abteil saßen viele Familien aus aller Welt, die sich das Spektakel nicht entgehen lassen wollten. Dies ist nicht immer so. Als ich einen Tag später an einem Samstag dem Glacier-Express in Andermatt wieder sehe, wirkt er sehr viel voller. Meine Empfehlung – Unter der Woche fahren und den ersten Zug morgens nehmen! Doch kommen wir zurück zu meiner Tour.
Nächster Stopp: Oberalppass.
Fast bin ich ein wenig enttäuscht. Zwar regnet es nicht, aber hier oben auf 2033 m ist die Landschaft recht karg und unspektakulär. Da war der Weg hier hoch schon viel spannender. Berge, Schluchten, Kühe, Ziegen, kleine Ortschaften im Tal – so stell ich mir das vor! Ein Zugbegleiter sieht mein enttäuschtes Gesicht und verrät mir, dass es im Winter hier so ganz anders aussieht. Das wiederum kann ich gut nachvollziehen. Auf dieser Höhe ist sicherlich ein idealer Ort um Ski zu fahren.
Ein Diplom fürs Bahnfahren?
Unsere Reise geht weiter – und eigentlich sagt mein Plan, dass ich in Andermatt aussteigen soll, um von dort aus Richtung Luzern zu reisen. Am Nachbartisch unterhalten sich zwei Leute über das „Glacier-Diplom“, welches beim Erreichen der Station „Zermatt“ ausgestellt wird. Davon habe ich bisher noch nichts gehört und irgendwie bin ich ja doch etwas neugierig. Als eine Schaffnerin vorbeikommt, frag ich sie ob ich mit meinem Ticket nach Zermatt und vor allem heute noch wieder nach Luzern zurückkomme.
Eine spontane Idee wird Realität
Nach einem Blick auf mein Ticket und einen weiteren in ihr schlaues Büchlein kommt die gute Nachricht. Die Strecke nach Zermatt und zurück kann ich heute auf jeden Fall noch schaffen. Viel Zeit hätte ich in Zermatt jedoch nicht. Mein Swiss-Pass öffnet mir für den restlichen Weg alle Türen – und da wenig los ist, kann ich auch meinen Sitzplatz behalten. Bereut habe ich das nicht, denn wir fahren nicht nur durch einen 12 Kilometer langen Tunnel, sondern gleich darauf auch einen kurvigen Anstieg zu den 4000endern hoch.
Verliebt in Berge und Gletscher
Ich sehe unterwegs meinen ersten Gletscher, der zwischen den Steinmassen emporragt und ich komme mir einfach nur winzig klein vor. „Hier hat es vor Jahren einen ganzen Ort durch einen Abgang zerstört“ höre ich den Mann aus dem Kopfhörer sagen. Ich bin überrascht, was diese Naturgewalten der Berge anrichten können. Wir nähern uns Zermatt immer mehr – und immer höher werden die Berge um uns herum.
Ich hab gerade noch Zeit mein Diplom abzuholen (die gibt es an einer kleinen Station rechter Hand der Bahngleise) und schwing mich fix in den nächsten Zug hinunter ins Tal.
- Wenn ihr den Swiss Pass euren eigenen nennt, ist die Fahrt im Glacier (mit Ausnahme der Reservierungskosten von 33 Euro (im Sommer) und 13 Euro im Winter) im Preis inbegriffen. Ansonsten zahlt ihr bis zu 260 Euro (für die komplette 8 Stunden-Fahrt) je nachdem in welcher Klasse ihr fahrt. Ich kann die erste Klasse nur empfehlen – dort ist meist mehr Platz und ihr sitzt im Panoramawagen. Seit Januar 2017 sind auch Eurailpass und Interrailpässe gültig. Eine Reservierung ist dennoch notwendig.
- Unter der Woche „unterwegs“ sein ist viel entspannter
- Erreicht ihr Zermatt oder St. Moritz (je nachdem in welche Richtung ihr fahrt), dann könnt ihr euch dort ein Diplom abholen
- Im Zug werden euch Kopfhörer und ein Wasser zur Verfügung gestellt. Essen könnt ihr vorbestellen (ein 3 Gang-Menü kostet aktuell 43 Euro) oder spontan im Zug wählen. Für die Suppe habe ich 12 Euro bezahlt, sie machte aber auch gut satt
- An einigen Bahnhöfen habt ihr länger Aufenthalt und die Chance auch mal auszusteigen. Im Zug selbst ist zwar ein angenehmes Raumklima, Fenster öffnen geht jedoch in der ersten Klasse nur schwer
- Zermatt ist Autofrei und wird durch Pferdekutschen und Fahrradverleih bedient.
- Lohnenswerte „Bahn-Ausflüge“ ist eine Dampflokfahrt über den Furka-Pass und ein Ausflug mit der Gotthard Bahn. Auch in Zermatt und St. Moritz gibt es besondere „Bergbahnen“, die ihr ausprobieren solltet.
- Mehr Infos und aktuelle Aktionen findet ihr auf der Homepage vom „Glacier Express“
- André hat eine ganz andere „Runde durch die Schweiz“ gedreht
- Von Chur gibt es eine wirklich tolle Bahn-Strecke zu den Palmen, wie Gerhard berichtet
- Marcel ist von Zermatt aus mit dem Glacier Express gestartet.
Offenlegung: Vielen Dank an Schweiz Tourismus, die uns auf der Reise durch die Schweiz mit dem Swiss Pass unterstützt hat. Danke auch für die Reservierung von der Rhätischen Bahn (RhB).
[…] Viele Bilder von Ihrer Tour mit dem Glacier Express samt Diplom zeigt Janett auf Teilzeitreisender.de […]
Den Glacier Express muss ich mir mal merken; ich liebe Zugfahren nämlich auch. Aber 12 Euro für ’ne Suppe – teuer ist die Schweiz schon. Das schlägt ja noch Norwegen.
Hallo Janett,
Der Moment wo in Disentis die Lok einfach wegfährt und die Bahnwagen ohne Zugfahrzeug dastehen ist wirklich witzig. Bei uns hat der Lokwechsel fast eine halbe Stunde gedauert, da die neue noch gar nicht vor Ort war. Wenn du die Möglichkeit hast macht übrigens die Fahrt auch im Winter riesigen Spass. Wir hatten Schneesturm und nicht so viel gesehen, aber die frisch verschneite Landschaft hat such seinen Reiz. Und wenn du noch mehr spektakuläre Bahnfahrten durch die Schweiz planst unbedingt die Fahrt mit dem Bernina Express berücksichtigen.
Sonnige Grüsse aus Australien (nicht der Schweiz)
Marcel
Tja… was soll ich da noch kommentieren. Du weißt ja: Ich mag Bahnreisen. :-)