Ich sitze auf einem Steg und im Schilf neben mir raschelt es. Ein kleiner Vogel steigt empor und macht laut zwitschernd auf sich aufmerksam. Neben mir hat sich eine Fliege niedergelassen und ein paar Meter weiter entdecke ich einen Fischreiher, der geduldig auf seine Beute wartet.
Ich bin allein. Ein paar wenige Künstler haben sich in einer Künstlerunterkunft am anderen Ende des Museums zurückgezogen und ich sitze hier und schau den Tieren zu. Die Sonne ist gerade untergegangen und mir scheint, erst jetzt fängt hier die Party an. Es zwitschert, zirpt und plätschert. Und nein. Ich bin nicht in einem Naherholungsgebiet.
Inhaltsverzeichnis
Auf „meinem“ Steg befindet sich ein Ei.
Also ein überdimensionales. So eines – wie man es in Science Fiction Filmen vermuten könnte. Nur in echt. Nicht digital sondern weiss und zum anfassen. Zu schade, das eine Glasscheibe den Eingang versperrt, so kann man nur von außen hineinschauen und sich vorstellen, was hier mal entstehen könnte.
Science Fiction ist das Stichwort. Ich bin sicherlich kein Fan von Reisen in die Zukunft. Aber hier zwischen all den Bäumen und der Natur scheint es fast so, als wären Außerirdische gelandet und hätten einen Teil ihrer Konstruktionen auf der Erde gelassen.Lasst euch mitnehmen auf meinem Spaziergang durch eine andere Welt!
Es ist einer der heißesten Sonntage des Jahres, als ich mit dem Rad von Sinkt Niklaas zur Verbeke Foundation fahre. Knapp 15 Kilometer, die sich in der Sommerhitze ewig ziehen. Das letzte Stück bis zum Eingang des Künstlerparks fahre ich entlang einer Autobahn – und schau mehrmals auf mein Handy – immer in Sorge, ob ich hier denn auch wirklich richtig bin.
Ich entdecke eine alte verrostete Bahn.
Ist das Kunst oder kann das weg ? Und doch, mein Navi zeigt an, das ich mittendrin stehe. Hinter mir hupt ein Auto. Irgendwie hab ich nicht gemerkt, das ich mitten in der Einfahrt stehen geblieben bin. Ich entdecke ein „Ding“ – welches aussieht, als wäre es geradewegs aus einem Science Fiction Film entsprungen, und weniger Meter weiter sehe ich ein großes liegendes Windrad, welches sich mächtig und liegend über einem kleinen Waldstück erhebt. Wird Zeit, das ich aus der Hitze komme – ich sehe komische Sachen….
Durch einen Container betrete ich das Museum. Hier drin ist es angenehm. Und recht viel Betrieb. Eine ganze Gruppe feiert hier ein Sommerfest, zahlreiche Personen besuchen die Kunstausstellung – und ich hab noch was ganz anderes vor. Ich will hier übernachten. Schnell schließe ich Bekanntschaft mit der Chefin des Hauses, die auch sehr gut deutsch spricht. Sie begleitet mich zum „CasAnus“ – einem Kunstwerk von Joep Van Lieshout, einem niederländischen Skulpturkünstler und erzählt mir, das im ganzen Park verteilt besondere Kunstwerke und Skulpturen bekannter belgischer und niederländischer Künstler zu finden sind.
Mein etwas anderer Schlafplatz
„Gehen sie ruhig einmal herum!“ ist ihre Empfehlung – ich jedoch will nach der Schlüsselübergabe erst einmal nur Ruhe. „Warten sie mit dem Duschen bis zur Schließung des Kunstparkes!“ warnt sie mich kurz vor der Verabschiedung noch. Auf die Frage nach dem „Warum?“ deutet sie auf das kleine Fenster am Ende des Darmes. Der Blick durch den Anus ermöglicht jedem, der von außen hineinschaut, einen Blick auf mein Badezimmer.
Ich bin fertig. Mein erster Gang gilt dem gemütlichen Bett am anderen Ende des Darmes – und der verbleibenden Datenflat auf meinem Tablet. Als ich aufblicke, schaue ich direkt in die Augen eines neugierigen Belgiers. Ich komme mir fast ein wenig vor wie ein Tier im Zoo, ständig schauen Leute vorbei und bekommen von mir auch einen kleinen Einblick in den Darm. Der sieht zwar rot und seltsam von außen aus, aber gar nicht so unappetitlich von innen.
Weiß lackiert, mit einem sauberen Bett, einem Tisch, Stühlen, Strom und sogar einem Badezimmer – und das in exponierter Lage mitten auf einer kleinen Insel in einem Natursee – so schlimm isses gar nicht, im Darm zu wohnen. Und ich komme ins Gespräch, bekomme wertvolle Tipps, wo es in Antwerpen die zweitbesten Pommes und einen ebenso verrückten Park wie die Verbenke Foundation gibt. An ein Nachmittagsschläfchen ist nicht zu denken, und so schnapp ich mir meine Kamera und den Lageplan und starte meinen ersten Rundgang.
Was die Künstler hier geschaffen haben, ist nicht nur ziemlich schräg, sondern auch aus gestalterischer Sicht bemerkenswert. Ich besuche einen überdimensionalen Bastkorb, und erwarte eigentlich jederzeit, das jemand von oben Schmutzwäsche hinein wirft.
Ich besuche ein Haus aus Glasfenstern – und bin froh das ich hier die Nacht nicht übernachten muss – denn trotz Wald und Wiesen hat sich dieser Raum ziemlich aufgeheizt. Auch ist es hier längst nicht so gemütlich, liegen doch Blätter auf dem Boden und ist der Untergrund doch ein wenig uneben.
Neben all diesen Kunstwerken entdecke ich auch sehr viel Natur.
Ich nehme mir Zeit und beobachte eine Bienenparty auf einem Blumenfeld, schau einem Schmetterling bei der Rast auf einer Blume zu und höre plötzlich ein lautes knurrendes Geräusch.
Erst nach einigen Sekunden wird mir klar, das es sich nicht um ein wildes Tier, sondern meinen Magen handelt. Nun gut, das letzte Mal hatte ich etwas in Deutschland gegessen. Zeit also für „Futtersuche“. Mein Weg und meine letzten Euros führen mich zurück in das Museumsgebäude, wo ich dann aus dem kleinen, feinen aber recht günstigen Angebot ein Sandwich und eine Cola bestellte, und diese im Antlitz eines riesigen rohen Steaks verzehrte.
Frisch gestärkt führt mich der Weg nun durch die Kunstausstellung. Und ich sehe Sachen die mich schockieren, aber wieder einmal stelle ich fest, das ich gar keine Ahnung von Kunst habe.
Eingelegte Fliegen zum Beispiel, oder nach gebaute Tierkadaver finde ich einfach nur „uurgs“. Aber Kunst liegt im Auge des Betrachters… Und so schaue ich mir alles an. Und muss das eine oder andere mal angeekelt meinen Kopf wegdrehen.
So langsam leert sich das Museum.
Für mich wird es Zeit für eine Erfrischung. Also zurück zum Darm und Duschen. Das ist gar nicht so einfach, weil an diesem Tag die Wasserpumpe Sommerferien macht. Für eine Erfrischung reicht es und während auch die Gesellschaft ihre Sachen packt, genieße ich den einsamen Abend im Muse… äähm in der Kunstausstellung. Ich stelle fest, das ich einige der Skulpturen im Außenbereich noch nicht gesehen habe, uns so mach ich mich auf zu Runde zwei. Ich entdecke Baumtunnel, sitze in einem Star Wars Helm, gehe auf einer Autobahn spazieren und glaube ein uns andere mal – mich in einer anderen Welt zu befinden. Dieser Park ist nicht in Worte oder Videos zu fassen, diesen Park muss man erleben! In der folgenden Diashow findet ihr einen kleinen Eindruck der Kunstwerke. Knapp 1 1/2 Stunden bin ich auch abends noch unterwegs – und dabei hab ich längst nicht alles entdeckt.
Und so sitze ich kurze Zeit später auf dem Steg und spüre so ein wenig die Inspiration, die an diesem Ort „um sich geht“. Ich höre einen Hahn im letzten hellen Licht krähen und beschließe, mich zurück zum Darm zu begeben. Schlafen kann man in eben diesem übrigens sehr gut – sofern man die Fenster aufmacht. Und auch wenn es morgens nur zu einem Katzenbad reicht, so bin ich doch frisch und ausgeruht – als es an meine Tür klopft.
Vor der Tür wartet ein Frühstückskorb auf mich. Tee, Kaffee, Multivitaminsaft, Wurst, Käse, Brot und Joghurt – und ich komme dank super Wetter in den Genuss, draußen zu frühstücken. Irgendwie… hab ich mir „Schlafen im Darm“ vorher viel schlimmer vorgestellt. Nicht so erholsam.
Ich mach mich auf dem Weg zurück nach Sint Niklaas, einen Ort, den ich euch demnächst sicher auch noch vorstellen werde. Wenn ihr jetzt auch mal Lust auf eine Nacht im Darm oder Zelten auf dem Gelände der Verbeke Foundation hat, sollte einen Blick in die Infobox werfen !
- Wer eine Nacht im Darm schlafen will, kann diesen für 120 Euro pro Nacht anmieten. Es können zwei Personen hier übernachten, auch für eine kleine Familie wäre theoretisch Platz, beachtet jedoch, das dieses Bett nur 140 cm breit ist. Im Darm gibt es Wasser und Strom und sanitäre Anlagen, jedoch kein Internet und außer einem Radiowecker und einem Heizlüfter (nur bedingt für Winteraufenthalte tauglich) keine elektronischen Geräte. In der Übernachtung inklusive ist jedoch der Eintritt in die Ausstellung und das Frühstück im oder am Darm.
- Wer ein wenig günstiger hier übernachten will, kann auf dem Camping Flat in einem Zelt übernachten. Die Nacht im Zelt kostet 50 Euro. Zelt und Matratze kann gestellt werden, einen Schlafsack sollte man für die Nacht im Zelt auf dem Gerüst jedoch dabei haben. Frühstück ist auch hier inklusive.
- Die Übernachtung könnt ihr nur via Email anfragen, weitere Infos findet ihr auf der Homepage der Verbeke Foundation. Anreise ist bis 18 Uhr möglich.
- Wenn Ihr nur einen Tagesausflug hierher plant, der Eintritt ins Museum und in die Kunstaustellung kostet für Erwachsene 10 Euro. Kinder bis 16 Jahre sind in Begleitung der Eltern kostenlos dabei, auch Hunde (an der Leine) dürfen mit in den Park. Öffnungszeiten: 11 – 18 Uhr.
- Egal wie – ein Rundgang durch den gesamten Park ist muss. Es gibt eine Führung, die für 60 Euro angeboten wird (für Gruppen), aber der Plan mit allen Infos zu den Kunstwerken (Namen, Künstler, wann gebaut) ist auch schon sehr informativ. Einplanen solltet ihr mindestens 2 – 3 Stunden.
- Die Ausstellungen sind immer mal wieder wechselnd, wiederkommen lohnt sich!
- Es gibt ein kleines Angebot an Getränken und Speisen, am besten (englisch) im Bistro nachfragen. Für Fans von Kunst und Kultur gibt es ebenfalls einen kleinen Shop, wo ihr euch Bücher und Drucke kaufen könnt.
- Im See kann man nicht schwimmen, er ist der Natur überlassen. Sehenswert ist es dennoch in den Abendstunden, wenn Reiher und div. andere Vögel hier auf der Jagd sind.
- Übrigens – auch St. Niklaas ist durchaus sehenswert. Dort wohnt der Nikolaus auf dem Marktplatz.
- Auf den Spuren des Barock (ja die Belgier haben es mit Kunst) hab ich Antwerpen entdeckt.
Anschrift fürs Navi: Verbeke Foundation, Westakker, 9190 KEMZEKE (Stekene), Belgien
Ich bin mit Bahn und Fahrrad zur Verbeke Foundation gefahren, dies ist aber nur bedingt zu empfehlen. Wer einen kleinen Fußweg auf sich nehmen will, der Bus A41, A43 fahren bis Haltestelle Drie Schouwen in Stekene, von dort aus seit ihr in knapp 10 Minuten da.
Am besten ist das Museum/die Kunstausstellung über die Autobahn, Abfahrt Nummer 11 auf der Autobahn E34 zu erreichen.
- Einen ausführlichen Bericht zum Schlafen im Darm könnt ihr auch bei Thomas nachlesen.
- Tanja hat eine tolle Karte mit verrückten Unterkünften erstellt!
Offenlegung: Im Rahmen einer Recherchereise mit Visit Flandern durften wir eine Nacht im Darm verbringen. Vielen Dank auch für die Verbeke Foundation für die Unterstützung.
Hi Janett,
als ich die Überschrift zu deinem Beitrag sah, da dachte ich zuerst, ich hätte mich verlesen. Dann dachte ich: nee… sie hat sich verschrieben. Und als sich nach und nach die Geschichte herauskristallisiert hat, musste ich nur noch schmunzeln. Ein witziges, ungewöhnliches Erlebnis – ich wusste gar nicht, dass so was möglich ist! Danke für die Anregung und den interessanten Beitrag und die Infos dazu. Im „Darm“ würde ich wahrscheinlich nicht übernachten wollen, aber das Museum an sich klingt spannend.
Liebe Grüße
Kasia
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Na, die Überschrift hört sich ja spektakulär an ^^ :)…ein wirklich schöner Beitrag! Nachdem ich etwas gelesen habe fiel mir auch wieder ein, dass ich schonmal was von dieser „besonderen“ Schlafmöglichkeit gehört habe…ich glaube es gehörte zu den ausgefallensten Hotels oder so ähnlich^^…ich finde du kannst das durchaus positiv schildern^^ :))…aber ich glaube ich bevorzuge die normalen Häuser, wie mein stamm Schenna Hotel ^^…GLG, Pia ;)
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Freut mich, dass mein Bericht Dich inspiriert hat, die Verbeke Foundation auch mal zu besuchen. Wie ich sehe, hat sich die „Kunst“ schon wieder verändert… ist aber in der Tat sehr… na, sagen wir mal „abgefahren“… aber wie Du schon schreibst: muss man erlebt haben! ;)
Genau. Tja ich bin gespannt, was sich da tut, ich will auf meiner nächsten Reise nach Antwerpen noch mal vorbei schauen… ;)
Verrückt! Aber sehr cool! Das sieht alles super interessant aus. Und ehrlich gesagt, habe ich mir das Ganze auch eklig(er) vorgestellt, als du erzählt hast, du würdest im Darm übernachten. ;-)
Sonnige Grüße
Jessi
Ja das klingt ja auch seeehr komisch ! Aber ich hab es nicht bereut, und scheinbar ändert sich da ja auch immer sehr viel!
Sehr verrückt :) Ich habe da mal einen Bericht im Fernsehen über außergewöhnliche Hotels gesehen, der hat auch im Darm geschlafen. Leider wurde da nicht so viel vom ganzen Parkgezeigt, wie du es jetzt gemacht hat. Hat was, wenn ich auch nicht alles so prickelnd finde :)
Das ist das, was Kunst macht. Ich fand auch einiges seltsam – und die schlimmsten Sachen hab ich hier noch gar nicht gezeigt. Aber irgendwie ist es auch ein Ort, an dem man wieder zu träumen anfängt…
Das ist ja eine verrückte Geschichte aus einem verrückten Park, danke, dass du uns teilhaben lässt.
Liebe Grüße Karin