Seitdem ich 2001 das erste Mal im Flugzeug – einem Billigflieger nach Pisa – saß, hatte ich Flugangst. Das äußerte sich noch vor Jahren immer ziemlich stark. Schon mehrere Tage vor dem Fliegen konnte ich nicht mehr richtig essen und entwickelte Magengeschwüre, wachte Nachts mit Panik vor dem Flug schweißgebadet auf, bekam Angst beim Gedanken an die Zeit im Flugzeug und googelte oft genug „Alternativen zum Flieger“ und „Tipps gegen Flugangst“.
Gleich vorab. Es gibt nicht die Methode gegen Flugangst. Auch ich habe viele Jahre gebraucht um meinen jetzigen StatusQuo zu erreichen. Ich habe noch immer Respekt vor jedem Flug – gehe meine Reisen mit dem Flugzeug inzwischen mit einer angenehmen Entspanntheit an. Auch anstrengende Flüge klappen inzwischen prima. Eines kann ich jedoch verraten: Die kalten Hände bei Start und Landung habe ich noch immer. Aber damit kann ich leben!
Inhaltsverzeichnis
Medikamente zur Flugangst sind keine wirkliche Hilfe
Lange habe ich mich mit dem Thema Aviophobie (der Fachbegriff für Flugangst) beschäftigt und einiges versucht, um mir das Fliegen ohne Angst zu erleichtern. Auf meiner ersten Reise in die USA habe ich homöopathische und freiverkäufliche Medikamente aus der Apotheke ausprobiert. Die „Stressfrei“ Medikamente sedieren ein wenig und machen vor allem ziemlich schläfrig. Auf dem Hinflug nach Florida hat das auch ganz gut geholfen – was jedoch auch daran lag das ich die Nacht vor dem Flug so aufgeregt war und gar nicht schlafen konnte. Schon auf dem Rückflug hatte ich zwar den Eindruck etwas müder zu sein – aber die Wirkung half mir nicht wirklich über die aufsteigende Angst bei kleinen Luftlöchern über dem Atlantik hinweg.
Für Flüge innerhalb von Europa (2-4 Stunden) machen meiner Meinung nach solche Entspannungs-Medikamente gar keinen Sinn. Es sei denn ihr wollt den Rest des Tages herumlaufen wie ein Murmeltier (das ist mir nach einem Flug nach Griechenland so ergangen). Und noch was habe ich gelernt: Je nach Gesundheitszustand und parallel eingenommen Medikamenten wirken die frei verkäuflichen Präparate auch gar nicht. Mir ist das so mit Erkältungsmitteln ergangen.
Lasst euch in Sachen Flugangst-Medikamente vorab von einem Apotheker oder Arzt beraten. Gerade bei der Phobie vor dem Fliegen gibt es verschiedene Angstformen und verschiedene Zeitpunkte an denen diese auftreten können. Es werden häufig Benzodiazepine verschrieben – diese haben jedoch ein hohes Suchtpotential und beseitigen nicht die Angst. Ich habe damals Neurexan und Bach Rescue Tropfen genutzt. Auch da bitte Achtung – es wirkt nicht bei jedem gut.
Bücher gegen Flugangst
Erste Versuche mit Büchern gegen Flugangst erzeugten bei mir zwar einen Informations-Overflow, mir persönlich hat es gegen meine Flugangst nicht viel gebracht. Klar weiss ich dadurch, das Flugzeuge statistisch gesehen die sichersten Transportmittel sind und klar ist mir auch, das alles doppelt und dreifach kontrolliert wird.
Auch die Entspannungs-Übungen im Buch mögen ganz sinnvoll sein, doch schlussendlich brachte das Lesen für mich nicht die erhoffte Beseitigung meines Problems.
- Flugangst-Tipps einer Stewardess: Endlich angstfrei fliegen! Mit Piloten Interview und anwendbaren Tipps zur Beruhigung Amazonlink von Delia Wings (Delia hat übrigens auch einen hilfreichen Blog, auf dem sie Tipps gegen Flugangst gibt).
- Ein etwas älteres Buch: Nie mehr Flugangst – Ein Selbsthilfeprogramm in sechs Schritten Amazonlink von Karin Bonner
- Ich hatte damals die Flugangslektüre: Endlich frei von Flugangst: Der einfache Weg, die Angst vorm Fliegen zu überwinden Amazonlink von Allen Carr.
Über die Flugangst reden (Flugangstberatung)
Ein großer Schritt war 2008 eine Flugangst-Beratung am Düsseldorfer Flughafen. Eine Psychologin hat 2 Stunden mit mir über die bestehenden Ängste gesprochen und viele tolle Tipps gegeben. Zum einen hat sie mir erklärt, wie mein Körper auf die Angst reagiert (Schneller Herzschlag, flache Atmung, Zittern, Bauchschmerzen, Schwindel und weiche Knie).
Mir schlug es auch auf den Ernährungstrakt – Durchfall und Reizdarm ist die Folge. Sie erklärte mir, wie ich diese aufkommende Panik mit kleinen Tricks unterbinden kann. Wir fanden gemeinsam heraus warum der Gang ins Flugzeug bei mir so Ängste auslöst. Leider gibt es inzwischen dieses Angebot in Düsseldorf nicht mehr, eine ähnliche Beratung bietet aber Flugangstberatung in Mönchengladbach an.
Der damals erläuterte Trick ist eigentlich recht simpel. Eine Panikattacke lässt sich durch eine positives Ereignissequenz (Man nennt das auch die „STOP“ Variante) gut unterbinden. Wenn man Angst verspürt, steigert sich diese oftmals. Vom leichten nervösen Kribbeln im Magen kann sich das bis zu Erbrechen, Kopfschmerzen und schlimmer entwickeln. Hier hilft es ungemein schon bei den kleinsten Anzeichen den eigenen Kopf auszutricksen in dem man quasi die Haltetaste drückt. Ich habe dafür zwar ein bissl Zeit gebraucht, dafür hilft mir diese Übungen auch bei anderen „Ängsten“ hervorragend. Nur so habe ich es zum Beispiel geschafft trotz Höhenangst einen Fallschirmsprung zu überstehen.
Zählen und Atmen als Methode zur Flugangstbewältigung
Ich habe mir mal sagen lassen: Die kritischste Zeit beim „Starten“ sind die ersten 100 Sekunden. Und irgendwie hatte ich in diesen 1 1/2 Minuten bisher auch immer die meiste Flugangst. Habe ich am Anfang noch versucht meine Angst durch Atemübungen und Spielen mit einer Kette zu reduzieren, bin ich irgendwann auf das Zählen umgestiegen.
Ich fange an zu zählen wenn der Flieger von der Erde abhebt. Mit dem Steigen des Fliegers geht es von hundert rückwärts bis eins. Das hat mich oft so abgelenkt – von meiner Nervosität war oft wenig übrig. Das man sich damit komische Blicke anzieht, ist leider nicht zu vermeiden. Mittlerweile starte ich das Flugzeug mit – so wie ich es bei einem Simulatorflug gelernt habe. Sieht auch komisch aus, fällt aber nicht so auf.
Flughafentour mitmachen
Wer ein wenig mehr über die Prozesse auf den Flughäfen dieser Welt kennt, verliert vielleicht wie ich die Angst vor dem Ungewissen. Das hat mich am Anfang auch als Teil meiner Flugangst begleitet. Meine erste Flughafentour habe ich in Frankfurt gemacht, bei einer ganz besonderen Tour über den Flughafen Stuttgart durfte ich sogar in die heiligen Hallen der Feuerwehr und aufs Rollfeld.
Das alles hat mir auch mehr Sicherheit gegeben was die Prozesse im Notfall auf Flughäfen angeht. Mein Eindruck war: Es ist kaum etwas besser und sicherer organisiert als der Ablauf am Flughafen. Hier weiss die rechte Hand was die Linke macht und im Notfall wird alles gut organisiert.
- Informiert euch bei einem Flughafen in eurer Nähe über Touren hinter die Kulissen. Am besten einfach mal „Flughafentour“ bei Google eingeben und schon werden euch Angebote aus Frankfurt am Main, Düsseldorf, Berlin, München oder aber auch Hamburg offeriert. Auch Wien und Zürich bieten eine Flughafentour an. Die Flughafen-Touren kosten je nach Umfang zwischen 10 – 40 Euro.
- Bitte beachtet das ihr für eine solche Tour durch die Sicherheitskontrolle müsst. Daher nix mitnehmen was nicht auf einen Flughafen gehört.
Simulatorflug zur Flugangstbewältigung
Eher durch Zufall bin ich vor ein paar Jahren auf eine besondere Methode gegen Flugangst aufmerksam geworden. Eine Idee, gegen Flugangst vorzugehen ist selbst einmal zu fliegen. Oder zumindest so zu tun – denn niemand von uns wird ohne Vorkenntnisse ans Steuer einer 747 gelassen. Lasst euch gesagt sein: Mir hat ein einstündiges Flugtraining im Simulator ausgereicht um meine Angst enorm abzubauen. Zwar gibt es auch spezielle Flugangstkurse – aber auch die klassischen Simulatorflüge sind eine recht günstige Möglichkeit, die Abläufe bei Start und Landung selbst einmal auszuprobieren und das sogenannte „Beifahrer-Problem“ zu beseitigen.
Der Glauben, dass ich im Notfall die Flugmaschine landen könnte, beruhigt mich ungemein. Auch wenn es natürlich rein rational Quatsch ist. Aber mir hat es geholfen meine Psyche zu überlisten.
Ich habe meine Flugsimulation damals in Düsseldorf bei IPilot gemacht. Das Unternehmen gibt es leider inzwischen nicht mehr, ab 90 Euro könnt ihr aber bei Anbietern wie Jetsim (Berlin) oder Yourcockpit (Verschiedene Standorte) Simulatortrainings buchen. Das sind für den günstigen Preis oftmals Nachbauten – für einen ersten Eindruck reicht das aber vollkommen aus. Natürlich gibt es auch ab 600 Euro die Möglichkeit in den echten Flugzeugsimulatoren zu fliegen. Mir jedoch hat der Nachbau vollkommen ausgereicht.
Was ich nicht gegen Flugangst probiert habe und warum
Von verschiedenen Airlines und auch privaten Anbietern werden Flugangst-Kurse mit Flug unter professioneller Betreuung angeboten. Vor Jahren saß ich im Flieger in einer solchen Gruppe (zu dem Zeitpunkt konnte ich schon entspannt fliegen) und habe festgestellt wie gut die Coaches ihre kleinen Gruppen (damals 6 Personen) betreut haben. Am Anfang meiner Flugangst-Karriere habe ich auch darüber nachgedacht, mich dann jedoch aus zwei Gründen dagegen entschieden.
Ich fliege nur wenn es aufgrund von Zeit oder Entfernung nicht anders geht. Einen Flug zu machen nur wegen meiner Flugangst kam mir da unnütz vor. Der zweite Grund ist der Preis. Zwischen 700 – 1000 Euro kostet so ein Coaching, was oft mehrere Tage geht. Mir persönlich war das immer zu viel Geld. Wer es dennoch ausprobieren will: Stiftung Warentest hat drei Flugangst-Seminar-Anbieter getestet. Einige der Anbieter bieten übrigens auch Coachings ohne Flug an.
Was ich ebenfalls nicht probiert habe sind Schlafmittel und verschreibungspflichtige Medikamente gegen Flugangst. Das Risiko einer Sucht war mir einfach immer zu hoch – obwohl ich weiss das einige Menschen mit Flugangst damit gute Erfahrung gemacht haben.
Ein dritter Punkt und die letzte Konsequenz wäre der Flugverzicht. Für mich als Reiseblogger für Kurzreiseziele ist dies zwar innerhalb von Europa möglich – Ziele wie Lissabon oder auch Helsinki lassen sich jedoch leider nicht mit anderen Verkehrsmitteln wie Fähren oder der Bahn übers Wochenende besuchen. Eine Bekämpfung der Flugangst war also unvermeidbar.
Für mich war die Mischung zwischen den oben genannten Optionen ein guter Weg hin zum Fliegen ohne Angst. Darüber habe ich übrigens 2021 in der „Psychologie heute“ ein Interview gegeben. Gerne würde ich wissen: Wie ist das bei euch mit dem Fliegen?
Habt ihr auch Empfehlungen gegen Flugangst ?
- Caro hat ebenfalls hilfreiche Tipps gegen Ihre Flugangst
- Anja hat eine Stewardess nach Empfehlungen gegen Flugangst gefragt.
- Alexandra hat ein paar Tricks drauf, wie du bei Turbulenzen im Flieger ruhig bleiben kannst
Dieser Artikel stammt von 2015, wurde 2019 und aktuell 2022 überarbeitet.
Vielen Dank für diesen Beitrag zur Überwindung deiner Flugangst. Interessant, dass es dir unter anderem geholfen hat, eine Flughafentour zu machen. Ich empfinde es als angenehmer, in einem Privatjet oder Businessjet zu fliegen statt in einem großen Passagierflugzeug, weil es in kleinerem Rahmen ist.
Das ist der beste Beitrag, den ich zur Flugangst gelesen habe.
Danke!
Hallo Leyla,
ich hoffe es hilft auch einer meiner Tipps!
VG Janett
[…] so wirklich weggehen wird. Ein paar Tipps gibts dennoch – denn ich habe natürlich mehrere Methoden zur Flugangstbekämpfung ausprobiert. Unter andern habe ich selbst ein Flugzeug […]
[…] ich 2008 das erste mal in den USA war, habe ich den Flug kaum ruhig sitzen können. Ich hatte Flugangst. Das komplette Programm. Und ganz ehrlich? Die unlogische Angst hat mich einige Jahre echt vom […]
Die Gefahr bei einem Flug abzustürzen liegt bei gerade mal 0,000012 Prozent. Damit ist der Weg zum Flughafen wohl der gefährlichste Teil einer Flugreise.
Hallo Jana,
das mag sein, hilft aber jemanden, der Angst hat, nicht wirklich weiter. Viele wissen genau diese Fakten ja auch – nur der Körper und Geist spielen da oftmals nicht so wirklich mit. Ich hab das Auto-Mitfahren früher auch gehasst, bis ich selbst gefahren bin. Seitdem lieb ich es ! :D
Ich fliege relativ selten und Flugangst im eigentlichen Sinne habe ich auch nicht, aber immer ein bisschen Sorge, daß mir übel wird. Das passiert nämlich immer wenn der Körper Bewegung verspürt, die Augen aber in der Kabine keine Bewegung sehen können. Da hilft schon mal ganz ruhig atmen und einen Reisekaugummi kauen. Außerdem wähle ich lieber einen Platz am Gang, auch wenn die Aussicht da schlechter ist, weil ich ein bisschen mehr Bewegungsfreiheit habe. Ich glaube, daß es mir tatsächlich besser ginge, wenn ich nach vorner rausgucken könnte (was ja in der Regel nicht möglich ist :-)).
LG
Michael
Das mit dem „vorne rausguggen“ stimmt. Das hilft wirklich. Ich bin vor einiger Zeit mal mit einem Oldtimer-Flieger geflogen, wo du einen Blick nach vorne hattest, das hat echt geholfen. Da fand ich es jedoch unheimlich, das hinter mir eine Tür war, wo du wie daheim nur die Türklinke hättest öffnen müssen um rauszufallen :D.
Mir wird beim Start auch immer ein bisschen mulmig, das mit dem Zählen klingt gut =) Danke für den Tipp!
Liebe Grüße, Katharina
[…] dem letzten Bericht habe ich euch ja schon einige interessante Tipps gegen die Flugangst gegeben. Was es nun mit dem “Selbst-Fliegen” auf sich hat, und was es mir als […]