Warum habe ich mich darauf eingelassen ? Erst als ich in Bruchsal am Bahnhof mein Fahrrad entgegen nehme, Instruktionen zu meiner Tour bekomme und müde von einem langen Arbeitstag die heutige Etappe plane, wird mir eigentlich klar, was da vor mir liegt. Knapp 120 Kilometer quer durchs Kraichgau in weniger als 48 Stunden mit dem Pedelec. Also mit einem Fahrrad mit Motorantrieb. Schnell stellt sich dann doch heraus, das ich ja doch noch selbst strampeln muss. Hab ich schon mal gesagt, das ich Bewegungen unnötiger Art eigentlich aus dem Weg gehe ?
Inhaltsverzeichnis
Mit dem E-Bike durch Bruchsal
Es soll mir ja nicht nachgesagt werden, ich würde mich keinen Herausforderungen stellen, und so taufe ich mein Rad auf den Namen Poseidon und mache mich mit ihm auf den Weg zu meinem ersten Stop: Schloss Bruchsal.
Die ersten Meter auf dem Pedelec sind schon etwas ungewohnt. Es ist, als würde man selbst radeln, aber jemand von hinten „schiebt“ leicht mit an. Die Unterstützung kann man aus ausschalten, aber ich kann euch gleich verraten, dann wird das Radfahren mit solch einem schweren Rad zur Hölle. Ich empfehle euch, erst einmal alle Optionen in flachen Gefilden auszuprobieren und dann bei der für euch am ehesten geigneten Einstellung zu bleiben. Wichtig, gerade beim Pedelec ist ein Helm !
Die Strecke vom Bahnhof zum Schloss gingen leicht zur Hand. Am Schloss Bruchsal selbst gibt es nur wenige Fahrradständer, weshalb ich mich mal dreisterweise direkt neben den Eingang gestellt habe. Ja – liebe Fotografen – ich weiss das ich euch das Gesamtbild versaut habe!
Abenteuer im Schloss Bruchsal
Das Schloss Bruchsal habe ich an diesem Freitag nachmittag fast für mich alleine. Es ist September und die Hochzeitsaison ist vorbei (ja, im Schloss wird viel geheiratet und anschließend auch fotografiert). Auch die zahlreichen Touristen die das Schloss und den Garten im Sommer bevölkern sind längst weg. Das es auch weitaus turbulenter zugeht verrät mir Frau Schlereth bei meiner kleinen Führung durch das Haus.
Auch wenn das Schloss eine Nachbildung ist (das Original wurde im zweiten Weltkrieg zerstört), die barocken Kunstwerke sehen aus als würden sie schon Jahrhunderte hier sein. Im Krieg wurde der gesamte Komplex komplett niedergebombt, um anschließend in penibler Kleinstarbeit wieder aufgebaut zu werden. Frau Schlereth erklärte mir dann auch, das der aufmerksame Gast dennoch ein paar „Originale“ ausfindig machen kann. Zur Wiederherstellung warem Experten aus aller Welt vor Ort um das Schloss wieder in seinen Ursprungszustand zu versetzen.
Musikautomatenmuseum? Ein Muss im Kraichgau!
Neben den tollen Wand und Deckenbemalungen war ich vom Musikautomatenmuseum begeistert. Mit Jukebox und Glockenspielen, lustigen Figuren und originalgetreuen Einrichtungen sind die zwei Etagen ist das musikalische Museum ein toller Kontrast zum klassischen Schloss. Das städtische Museum und der Michi ist vor allem für Kinder sehr interessant, hier gibt es interessante Mitmach-Aktionen.
Ein wenig dämmert es schon und ich schaue auf die Uhr. Ooooh schon 17:30 Uhr! Also machte ich ein letztes Bild vom Schloss, setzte mich auf mein Radel und blieb keine 20 Meter weiter erst einmal stehen. Öhm… Wo muss ich jetzt hin ? Das ich eine Fahrradkarte dabei hatte, fiel mir dann erst in Gondelsheim auf. Aber die Bruchsaler haben ja Anhung und so war ich schnell auf dem richtigen Weg.
Mit dem Fahrrad nach Gondelsheim!
Vor mir liegen noch knapp 20 Kilometer. Ich habe nicht mehr allzu viel Zeit für weitere Abstecher, in gut 90 Minuten wartete ein besonderes Abendessen im Gasthaus Löwenthor auf mich. Ob ich den richtigen Weg finden würde? Kurz hinter Bruchsal wird es recht ruhig. Die Wege entlang einer Bahnstecke waren flach und so kam ich (dank Motorantrieb) ganz gut voran. Schon knapp 30 Minuten später hatte ich die ersten 10 Kilometer hinter mir und erreichte Gondelsheim.
Links von meiner Strecke entdecke ich ein weiteres Schloss. Das Gondelsheimer Schloss jedoch kann nur im Rahmen von Events besucht werden, einzig der Garten des „Harry-Potter-Lookalike“ Schlosses ist gelegentlich zugänglich. Ein paar nette Bilder habe ich dann von außen dann noch machen können, aber lange hielt es mich dort nicht denn so langsam hatte ich richtig Kohldampf.
Eine kulinarische Zeitreise in Gondelsheim
Direkt in Gondelsheim gibts ein paar Restaurants, absolut empfehlenswert ist aber das Gasthaus Löwenthor. Das Gasthaus ist in einem alten Kutscherhaus untergebracht und entführt in eine andere Welt. Ich kam mir mit meinem Radeloutfit ein wenig unpassend gekleidet vor. Im mittelalterlichen Ambiente hätte ich wohl eher in einem wallenden Kleid auftreten sollen und mit einem Pferd anreisen sollen. Nach dem ersten Schluck Champagnerbier war mir das jedoch egal und das Essen… So lecker !! Auch hier vergaß ich die Zeit. Es war schon Dunkel, als ich das Gasthaus verließ und gut gesättigt wurde ich so langsam müde.
Nachts im Wald. Abenteuerliches Radeln durchs Kraichgau
Noch knapp 8 Kilometer lagen bis Bretten vor mir und müde (und leicht angeschäckert) wie ich war, fuhr ich natürlich den dunkelsten und längsten Weg zur Stadt. Ein wenig mulmig war mir schon, so ganz allein im Wald mit dem Rad unterwegs und so sang ich lauthals komische Lieder, um die wilden Tiere und Menschen zu vertreiben. Und ich fuhr einen Schritt schneller, um schon nach wenigen Kilometern Bretten im „Tal“ zu entdecken. Es ging bergab und die kühle Herbstluft weckte mich für die letzten Meter dann noch mal auf.
Was ich bis dahin nicht wusste? Bretten liegt mitten in einer Weinregion. Und an just diesem Wochenende im September war Weinfest.
Direkt vorm Hotel Krone war der Marktplatz voller Menschen.
Ich jedoch wollte nur noch ins Bett. Ich meldete mich im Hotel und meine Gastgeberin kam völlig aufgelöst angelaufen: „Frau Schindler… Wir haben uns schon Sorgen gemacht! Wo sind sie denn abgeblieben!“ Sie half mir Poseidon wegzubringen und den Akku zu lösen und ich stellte fest, das man im Hotel Krone sogar Pedelecs und Räder leihen kann. Zu meinem Zimmer hatte ich es nicht weit. „Schauen sie ruhig das Weinfest draußen an“ bekomme ich die Empfehlung der Hausherrin. Ich entscheide mich an diesem Abend jedoch gegen das Weinfest. Zu müde bin ich. Schon morgen wartet ein weiteres Radabenteuer auf mich.
Die Weinberge im Kraichgau
Ich wache auf und spüre mein „Hinterteil“. Nicht gerade die idealsten Bedingungen, um heute knapp 60 km zu fahren. Von Bretten soll es heute nach Zuzenhausen gehen. Ich bin gespannt, denn unterwegs wartet jeder Menge Zeitreise und jede Menge Schlösser auf mich. Nach einem guten Frühstück gehts für mich dann los. Ich befreie Poseidon aus seinen Stallungen, geb ihm frische Energie (in Form eines geladenen Akkus) und los gehts. Quer durch Bretten fahre ich durch kleine Ortschaften in die Weinberge.
Hatte ich am Rhein und an der Mosel oder im Sachsen-Anhaltinischen Burgenland solch eine Vielzahl an Weinreben vermutet, so überraschen mich die Weinberge im Kraichgau schon. Auch die Orte entlang des Radweges begeistern mich. Großvillars zum Beispiel. Schon mal davon gehört?
Ein weinseeliger Blick vom Derdinger Horn.
Einen besonderen Stop legte ich beim Weinplateau Derdinger Horn ein, dort hat man einen tollen Ausblick auf die umliegenden Dörfer und kann sich desweiteren über die verschiedenen Weinsorten informieren.
Für Kinder gibts auch noch einen kleinen Spielplatz und für mich, weil es doch ein kleiner Anstieg war, eine herrlich entspannende Abfahrt hinunter ins Tal.
Ich landete in Oberderdingen.
Auf einer Tour durchs Kraichgau solltet ihr diesen Ort nicht versäumen. Zur einen ist die Stadtinformation im Schafschauer sehr interessant, dort kann man z.b. auch den hiesigen Wein ganz gut probieren. In der Stadtinfo erfuhr ich, das es hier ganz tolle Führungen in die Weinberge gibt. Wenn ihr länger hier bleibt, sicherlich ein Highlight!
Die Laurentius-Kirche im Amthof von Obererdingen faszinierte mich wegen ihrer „Innenausstattung“. Statt wie sonst nach vorn ausgerichtet, ist in dieser Kirche alles nach Links ausgerichtet. Der Pfarrer ist „mittendrin“, was mir richtig gut gefällt. Nach einem netten Pläuschchen mir der Küsterin machte ich mich mit meinen Radel dann auch schon weiter.
Den „Amthof“ solltet ihr auch ohne Kirchenbesuch nicht entgehen lassen. Schöne Alte Gemäuer und entspannte Atmosphäre.
Kein Gefühl mehr für Ort und Zeit. Eine Reise durchs Kraichgau.
Ich kam langsam voran, doch ich fühlte mich noch fit. Unterwegs fuhr ich Schlangenlinien um diverse Nacktschnecken und musste mich trotz Ebike von Ambitionierten Fahrradfahrern überholen lassen.
Bis zu meinem Mittags-Stop lief alles auch noch ganz prima. Ich sah tolle Schlösser, erlebte Hochzeiten, fuhr am deutschen Zuckerbäckermuseum vorbei (hach da wäre ich gern rein gegangen), naschte heimlich an Trauben und auch der Weg war bisher noch angenehm Flach. Immer mal wieder legte ich eine Pause ein und war ganz optimistisch, das ich die gesamte Strecke doch schaffen würde.
Unterwegs fand ich unter anderem Schloss Flehingen, in dem ein Bildungszentrum untergebracht ist, was aber einen ganz netten Park hat, in dem man entspannt spazieren gehen kann.
Oder das Graf Ebertsteinschloss, was man nach einem steilen Anstieg vorbei am Zuckerbäckermuseum und knuffigen Häuschen hoch oben in Gochsheim findet. Dort ist auch ein Museum untergebracht, was aber just im September geschlossen hatte. So blieb mir nur der tolle Ausblick von hier oben ins Tal und eine kurze Rast, bevor es auf meiner Tour weiterging. Ein paar Kilometer weiter befindet sich Schloss Unteröwisheim, wo ein Haus der CVJM (Christliche Vereinigung junger Menschen) zuhause ist. Der Schlosshof und der Torbogen sind begehbar und einen Besuch wert.
Auf in die Besenwirtschaft!
Mittlerweile war es 13:30 Uhr und ich hatte richtig Kohldampf. Mein Weg führte mich dann zu einer Besenwirtschaft „Zum Kannenbesen“ in Unteröwisheim. Recht unscheinbar in einer Wohngegend gelegen findet man einen „Hinterhof“ in dem man richtig gut „Einkehren“ kann. Geöffnet ist, wenn der Besen draußen hängt. Da ich noch ein paar Kilometer vor mir hatte, hab ich mir eine leckere Traubensaftschorle gegönnt und richtig deftig gegessen. Und dann noch mal ne Traubsaftschorle… Was tat das gut!
Abkürzungen? Nicht immer gut!
Erfrischt und Tatkräftig traf ich dann eine folgenschwere Entscheidung. Der Radweg sollte eigentlich über Ubstadt, Stettfeld und Bad Schönborn nach Östringen weiterführen, ich jedoch hatte mir überlegt: „Öhm, das ist doch nur Quer rüber – Das ist doch sicherlich kürzer?“ Bis Odenheim lief alles perfekt. Ich kam gut voran, und auch der Weg war nicht allzu schwer. Als ich dann jedoch zwei vermutlich einheimische Radler fragte, wie ich denn nach Östringen kommen würde, sagten sie mir: „Tja – Über den Berg – Aber passen sie auf, das sind knapp 30 % Steigung!“ 5 Kilometer, dachte ich mir, das schaffst du ! Nach knapp einem Kilometer jedoch musste ich aufgeben. Entlang der Hauptstraße, die zudem noch gut befahren war und mit der Steigung… Es ging einfach nicht!
Also hieß es zurückfahren. Und über Ubstadt, Stettfeld und Bad Schönborn nach Östringen. Ich war platt, ich war genervt und in Östringen wollte ich eigentlich zum Stifterhof. Doof nur das ich vor lauter Durcheinander einfach den Weg nicht fand. Ich stoppte an der St. Cäcilia Kirche in Östringen und erholte mich bei einer kleinen Rast. Zeit für eine Bestandsaufnahme. Noch 18 Kilometer liegen vor mir. Ich habe noch 90 Minuten Zeit bis zur geplanten Ankunft in Zuzenhausen.. Tja – kenn ich irgendwo her. So setzte ich mich wieder aufs Rad und fuhr weiter
Eichtersheim und Eschelbach? Nett hier!
In Eichtersheim entdeckte ich ein knuffiges Wasserschloss, was ich irgendwann schon mal vorher besucht hatte. Auch hier traf ich wieder eine falsche Entscheidung. Es waren ein paar Fahrradstrecken gut ausgeschildert und eine zeigte mir dem Pfeil auf einen Berg. Ich also mit dem Fahrrad hochgekämpft (ab 1/3 der Strecke habe ich geschoben). Oben angekommen musste ich mir ein paar Weintrauben mopsen und den tollen Ausblick auf die Landschaft genießen, mittlerweile ließen auch meine Wasservorräte nach. Es war 16:55 Uhr und ich war gerade erst mal 5 Kilometer weiter. Ich wusste… Zuzenhausen würde ich heute nicht mehr rechtzeitig erreichen.
In Eschelbach dann beschloss ich aufzugeben. Alles tat mir weh und ich verfluchte meine „Abkürzungspläne“. Der Ort war knuffig und ich entschloss mich, ein Taxi zu rufen und Poseidon und mir noch eine kleine Taxifahrt zu gönnen um rechtzeitig in Zuzenhausen anzukommen.
Mein letzter Stop an diesem Abend war der Gasthof Dachsenfranz, der mich mit einem der coolsten Einzelzimmern ever überraschte und mit einem leckeren Essen (der Nachtisch – ein Bierdessert – soo gut) verwöhnte.
Mein Zimmer hatte eine Badewanne, was auch dringend nötig war, denn mittlerweile taten mir sämtliche Körperteile weh. Am nächsten Tag habe ich noch ein paar ganz besondere Orte rund um Sinsheim angeschaut – davon jedoch berichte ich euch ein anderes mal.
Wichtige Tipps für eine Radtour im Kraichgau!
- Gut vorbereiten. Radkarte lesen oder via Google Maps einplanen. Abkürzungen sind nix für Leute ohne Kenntnisse der Strecke.
- Ich empfehle euch eine Helm von Zuhause mitzunehmen – in den Verleihstationen gibts die leider nicht oder nur zu kaufen
- Vor einer Reise in dem Umfang bitte vorher das Pedelec gut ausgetesten.
- Tipp: Schloss Bruchsal besuchen und vor allem das Musikinstrumentemuseum nicht verpassen
- Schloss Gondelsheim kann nicht besichtigt werden, hier frühzeitig ankommen, wenn ihr den Park sehen wollt.
- Auf der Strecke von Bretten nach Zuzenhausen gibt es zahlreiche Schlösser, die fast alle entlang des Radweges liegen. Abstecher solltet ihr einplanen!
- Gut Essen kann man im Gasthaus Löwenthor. Hier solltet ihr unbedingt einen Rundgang wagen, der Hinterhof und die zweite Etage sind der Hammer.
- Ein idealer Stop auf einer Radtour sind Besenwirtschaften. Dort gibt es oft auch Radständer und vor allem total leckere Schorlen (Apfel und Trauben) ohne Alkohol.
Mitbringsel aus der Region um Kraichgau?
Wer ein Souvenir aus der Region mitnehmen will, sollte sich eine gute Flasche Wein besorgen. Hier gibt es häufig Winzer und Vinotheken, die euch eine gute Beratung anbieten.
Von A nach B im Kraichgau?
Auf der Tour gibt es verschiedene Bahnhöfe. Ich bin von Bruchsal gestartet, dort gibt es auch einen Fahrradverleih. Das Radnetz ist gut ausgebaut, die Wege haben weitestgehend eine gute Qualität. Aufpassen für Anfänger, das Land heisst nicht umsonst Land der 1000 Hügel!
Wo kann ich im Kraichgau gut übernachten?
Ich habe unterwegs zwei wirklich nette Hotels entdeckt die ich euch beide uneingeschränkt empfehlen kann
- Hotel Krone in Bretten ist ein idealer Punkt zum Übernachten. Einfache aber gemütliche Zimmer, aber ein Verleih und das Aufladen von Pedelecs ist möglich und das Hotel punktet durch seine zentrale Lage
- Übernachtet habe ich in Zuzenhausen im Hotel Dachsenfranz , welches nicht nur spannende Themenzimmer hat, sondern zudem auch eine Brauerei mit Wirtsstube ist.
[…] km. Mit dem Rad. Quer durchs Land der 1000 Hügel. Ich bin einfach nur platt. Noch dazu habe ich die tolle Führung […]
[…] liegt noch sooo viel herum! Mein zweiter Schlaraffenland – Bericht aus Graz und auch meine Tour durch das Kraichgau ist noch längst nicht […]
[…] Und noch mehr Radeln durch die Region um Sinsheim […]
Tolle Impressionen! Ich hätte daraus allerdings zwei Etappen gemacht und das Wochenende verlängert ;-)
Schöner Bericht, danke dafür.